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FamRZ-Podcast familiensachen: Folge 15 Unterhaltsrecht: Mehr als Rechnen und mehr als reformbedürftig

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"Einer betreut, einer zahlt": Dieser Grundsatz des Unterhaltsrechts aus § 1606 III 2 BGB kommt durch die neueste BGH-Rechtsprechung ins Wanken, gibt es hier einen "Systemwechsel"? Zusammen mit der Vorsitzenden OLG-Richterin Dr. Gudrun Lies-Benachib nehmen wir uns dem Thema im FamRZ-Podcast an. Es wird deutlich: In der Familienrechts-Community glühen die Colts, hier wird derzeit leidenschaftlich gestritten!

Doch nicht nur anhand dieses Beispiels zeigt sich, dass das Unterhaltsrecht richtig spannend ist: Wir erfahren, warum Unterhaltsberechnung immer "wertendes Rechnen" ist und wieso es "Kipppunkte" nicht nur beim Klima gibt, sondern auch im Unterhalt. Gudrun Lies-Benachib erklärt anschaulich das "eigenwillige System" der Düsseldorfer Tabelle. Wir reden darüber, warum BVerwG und BGH unterschiedliche Vorstellungen von paritätischer Betreuung haben und was dies für Konsequenzen hat. Und es wird immer wieder klar: Es wäre gut, wenn der Gesetzgeber endlich eine Reform des Unterhaltsrechts angreifen würde.

 

Infos und Hintergründe (in der Reihenfolge der Erwähnung):

Unterhalt erhält, wer bedürftig ist. Sinn einer Unterhaltszahlung ist die Lebensbedarfsdeckung.

Bedürftigkeit: Wer außerstande ist, selbst für seinen angemessenen Lebensunterhalt zu sorgen, ist bedürftig (minderjährige Kinder sind z.B. im Regelfall bedürftig).

Bedarf: der Betrag, den der Unterhaltsberechtigte individuell benötigt, um seinen Lebensunterhalt zu decken. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung (§ 1610 BGB). Das konkrete Maß (Qualität und Quantität des Unterhaltsbedarfs) des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen. Bei einem minderjährigen Kind wird der Bedarf in der Praxis anhand der Düsseldorfer Tabelle ermittelt.

Halbteilungsgrundsatz: ist die Grundlage für die Bedarfsberechnung beim Ehegattenunterhalt. Hiernach steht jedem Ehegatten die Hälfte des eheprägenden Einkommens zu. Nach Trennung (ggf. auch nach Scheidung) gilt dieser Grundsatz fort.

Düsseldorfer Tabelle

Mindestunterhalt: Der Mindestunterhalt eines minderjährigen Kindes, d.h. der Unterhaltsbetrag, den ein Unterhaltsverpflichteter (seine Leistungsfähigkeit vorausgesetzt) mindestens leisten muss, richtet sich gemäß § 1612a I S. 2 BGB seit dem 1.1.2016 unmittelbar nach dem steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminium (s.u.) des minderjährigen Kindes. Er wird jährlich neu festgelegt in der sogenannten Mindestunterhaltsverordnung.

Existenzminimum: Die Bundesregierung muss alle zwei Jahre einen Bericht über die Höhe des von der Einkommensteuer freizustellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern vorlegen. Dieser basiert auf Erhebungen des Statistischen Bundesamtes und ist wichtig für die Erstellung der Düsseldorfer Tabelle, da diese den Mindestbedarf, d.h. das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigen ausweist.

Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Oberlandesgerichte

Leistungsfähigkeit: Unterhaltsverpflichtet ist nur derjenige, der auch leistungsfähig ist. Wer ohne selbst bedürftig zu werden Unterhalt für einen anderen aufbringen kann, ist leistungsfähig. Um beurteilen zu können, ob jemand leistungsfähig ist, muss u.a. sein Einkommen ermittelt werden.

Selbstbehalt: bezeichnet den Betrag, den ein Mensch braucht, um nicht selbst als bedürftig zu gelten. Beispiel: wenn ein Unterhaltspflichtiger gegenüber dem Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes einen Selbstbehalt in Höhe von 1.370 € verteidigen darf, dann heißt das, dass bei einer Unterschreitung dieses Betrages eine Bedürftigkeit einsetzt.

Erwerbsanreiz/Erwerbstätigenbonus: der Teil des Einkommens (je nach Bundesland 1/7 oder 1/10) des Unterhaltspflichtigen, der ihm über den Halbteilungsgrundsatz beim Unterhalt hinausgehend zur Verfügung stehen muss. Der Bonus soll zum einen sicherstellen, dass berufsbedingt Aufwendungen abgedeckt werden können, zum anderen soll er einen Anreiz für Erwerbstätigkeit schaffen.

Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle, Diskussion in der FamRZ (zu den erwähnten BGH-Entscheidungen und zum Sachverhalt generell s. auch FamRZ-Sondernewsletter: Neue Düsseldorfer Tabelle 2021):

  • "Die Düsseldorfer Tabelle 2022 – Entscheidungen zwischen Glanz und Elend" von Gudrun Lies-Benachib in FamRZ 2022, 149 {FamRZ-digital | FamRZ bei juris}
  • "Unterhalt – Entscheidungen zwischen Not und Elend - zu dem Beitrag von Gudrun Lies-Benachib" von Heinrich Schürmann in FamRZ 2022, 1009 {FamRZ-digital | FamRZ bei juris}

Barunterhalt: Unterhalt, der in Geld bezahlt wird.

Betreuungsunterhalt: Unterhalt, der in Form von Betreuung gewährt wird.

Naturalunterhalt: Unterhalt, der durch die Bereitstellung der zum Leben benötigten Dinge, also Lebensmittel, Kleidung, Wohnung etc. gewährt wird.

Entscheidungen des BGH zum Naturalunterhalt:

BGH, FamRZ 2022, 1366, m. Anm. Langeheine; FamRZ 2021, 1965, m. Anm. Seiler; FamRZ 2017, 711, m. Anm. Maaß

s. dazu auch: FamRZ-Newsletter 22/2022 (mit einem Editorial von Isabell Götz) und FamRZ-Newsletter 14/2023 (mit einem Editorial von Gudrun Lies-Benachib)

Diskussion in der FamRZ um den „Systemwechsel“ im Unterhalt:

Unterhaltsvorschuss: Staatliche Leistung für Kinder, die bei einem alleinerziehenden Elternteil leben und keinen oder keinen regelmäßigen Unterhalt von dem anderen Elternteil erhalten.

Unterhaltsrecht im Koalitionsvertrag

Übersicht: FamRZ-Artikel zum Unterhaltsrecht