Sammelung von Rechtssprechungen in Bücher im Regal

Vorformulierte Kindesschutzanträge gegen Maskenpflicht an Schulen

Beschlüsse des AmtsG Weimar, AmtsG München und AmtsG Wittenberg

Am 8.4.2021 hat ein Einzelrichter des Amtsgerichts Weimar als Familienrichter im Wege der einstweiligen Anordnung ohne mündliche Verhandlung eine Entscheidung zu den Infektionsschutzmaßnahmen an zwei Weimarer Schulen erlassen. Dies gibt das Amtsgericht Weimar in einer Pressemitteilung bekannt. Weiteren Presseberichten zufolge soll das Weimarer Familiengericht in einem Kindesschutzverfahren auf Grundlage von § 1666 Abs. 1 und 4 BGB entschieden haben, dass die Schulleitung und die Lehrer sämtlichen Schülern zweier Weimarer Schulen nicht vorschreiben dürfen,

  • Gesichtsmasken aller Art zu tragen,
  • Mindestabstände untereinander oder zu anderen Personen einzuhalten, die über das vor dem Jahr 2020 Gekannte hinausgehen,
  • an Schnelltests zur Feststellung des Virus SARS-CoV-2 teilzunehmen.

Der 192 Seiten umfassende Beschluss wurde nach den genannten Berichten im Rahmen einer einstweiligen Anordnung ohne mündliche Verhandlung getroffen. Zur Begründung soll das Amtsgericht ausgeführt haben, das Kindeswohl der zwei Kinder der das Verfahren anregenden Mutter sowie alle weiteren Kinder der beiden Schulen seien durch die Anordnungen gefährdet i. S. von § 1666 BGB. Die dies vorsehende Allgemeinverfügung vom 31.3.2021 zum Vollzug der Thüringer Verordnung über die Infektionsschutzregeln zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in Kindertageseinrichtungen, der weiteren Jugendhilfe, Schulen und für den Sport (ThürSARS-CoV-2-KiJuSSp-VO) sei rechtswidrig. Ein Vorrang des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 VwGO bestehe nicht.

 

Vollstreckung des Weimarer Beschlusses dürfte nicht in Betracht kommen

Die Entscheidung des Amtsgerichts Weimar liegt unserer Redaktion bisher nicht in vollständiger Fassung vor, es kursiert allein eine 178-seitige Fassung im Internet. Im Beschluss soll nach der gerichtlichen Pressemitteilung außer den beiden Kindern und der Mutter lediglich ein Verfahrensbeistand als Verfahrensbeteiligter aufgeführt sein, sodass eine Vollstreckung nach § 95 FamFG formell mangels eines gegen die Lehrer und die Schulleiter vorliegenden wirksamen Titels i. S. von § 86 Abs. 1 i. V. mit § 40 Abs. 1 FamFG (Bekanntgabe des Beschlusses an den Beteiligten, für den er bestimmt ist) und wegen fehlender namentlicher Bezeichnung sämtlicher an der Vollstreckung beteiligten Personen im Titel (entsprechend § 750 Abs. 1 ZPO: alle Schüler und alle Lehrer und Schulleiter) nicht in Betracht kommen dürfte.

Kritisch zu dem Beschluss des AmtsG Weimar geäußert hat sich bisher die Neue Richtervereinigung in einer Pressemitteilung. Darin heißt es u.a., die Entscheidung sei "juristisch unhaltbar". Sie verkenne ganz grundsätzliche rechtliche Vorschriften und leugne zudem wesentliche Erkenntnisse der Wissenschaft.

 

AmtsG Wittenberg und AmtsG München lehnten Anträge ab

Eingesendet wurden der Redaktion Beschlüsse anderer Amtsgerichte über identische Anregungen von Eltern, die offenbar auf einem im Internet von einem pensionierten Familienrichter zur Verfügung gestellten Musterantrag beruhen. Diesen Beschlüssen zufolge besteht kein Anlass zu kinderschutzrechtlichen Maßnahmen gegenüber dem Schulträger oder Lehrern im Zusammenhang mit Schutzmaßnahmen gegen das SARS-CoV-2-Virus bezüglich von Schülern (vgl. Beschluss des AmtsG Wittenberg v. 8.4.2021 - 5 F 140/21 EASO). Es bestehe bereits kein Anlass auch nur zur amtswegigen Einleitung eines solchen Kindesschutzverfahrens, weil weder Anhaltspunkte für eine konkrete Kindeswohlgefährdung bestünden noch für die Überprüfung behördlicher Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus der Rechtsweg zu den Familiengerichten eröffnet sei (vgl. Beschluss des AmtsG München v. 18.3.2021 - 542 F 2559/21).

Zurück