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Freizügigkeit von mitgliedstaatlichen Erbnachweisen in der EU

- Redaktionsmeldungen

Polnisches Gericht legt EuGH Fragen vor

Wieder einmal tragen die Gerichte in Polen zur Auslegung der europäischen Erbrechtsverordnung (Überblick bei Dutta, FamRZ 2013, 4) bei (siehe zur Behandlung von Vindikationslegaten die jüngste Entscheidung des Gerichtshofs in Kubicka): Das polnische Sąd Okręgowy w Gorzowie Wielkopolskim (Bezirksgericht Landsberg an der Warthe) hat dem Gerichthof der Europäischen Union mit Entscheidung vom 10. Oktober 2017 die in der Literatur lebhaft diskutierte Frage vorgelegt, inwieweit nach der europäischen Erbrechtsverordnung mitgliedstaatliche Erbnachweise – etwa deutsche Erbscheine – in den anderen Mitgliedstaaten Wirkungen entfalten.

Im Einzelnen enthält das Vorabentscheidungsersuchen folgende Fragen:

1. Ist Art. 46 Abs. 3 lit. b i.V.m. Art. 39 Abs. 2 EuErbVO dahin auszulegen, dass die Erteilung einer Bescheinigung über eine Entscheidung in einer Erbsache, deren Muster Anhang 1 zu der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 der Kommission bildet, auch hinsichtlich einer Entscheidung zulässig ist, welche den Status eines Erben bestätigt, aber nicht (auch nicht teilweise) vollstreckbar ist?

2. Ist Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVOdahin auszulegen, dass eine Erbscheinsurkunde, die durch einen Notar auf übereinstimmenden Antrag aller an dem Nachlassverfahren Beteiligten erteilt wird und Rechtsfolgen eines rechtskräftigen gerichtlichen Beschlusses über die Feststellung des Erbschaftserwerbs entfaltet – wie die durch einen polnischen Notar erteilte notarielle Erbscheinsurkunde – eine Entscheidung im Sinne dieser Vorschrift darstellt?

und ist demzufolge

Art. 3 Abs. 2 S. 1 EuErbVO dahin auszulegen, dass ein Notar, der eine derartige Erbscheinsurkunde erteilt, ein Gericht im Sinne der letztgenannten Vorschrift darstellt?

3. Ist Art. 3 Abs. 2 S. 2 EuErbVO dahin auszulegen, dass eine Mitteilung des Mitgliedstaats gem. Art. 79 EuErbVO lediglich informative Bedeutung hat und keine Voraussetzung für die Bejahung der Frage ist, ob ein Angehöriger eines Rechtsberufs mit Zuständigkeiten in Erbsachen, der gerichtliche Funktionen ausübt, ein Gericht im Sinne des Art. 3 Abs. 2 S. 1 EuErbVO darstellt, wenn er die Voraussetzungen der letztgenannten Vorschrift erfüllt?

4. falls die Frage 1, 2 oder 3 verneint wird:

Ist Art. 3 Abs. 1 lit. g oder i EuErbVO dahin auszulegen, dass die Anerkennung eines nationalen verfahrensrechtlichen Instruments der Legitimation der Erben, wie die durch einen polnischen Notar erteilte Erbscheinsurkunde, als Entscheidung, die Anerkennung solch einer Erbscheinsurkunde als öffentliche Urkunde ausschließt?

5. falls die Frage 4 bejaht wird:

Ist Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO dahin auszulegen, dass eine notarielle Erbscheinsurkunde, die durch einen Notar auf übereinstimmenden Antrag aller an dem Nachlassverfahren Beteiligten erteilt wird – wie die durch einen polnischen Notar erteilte notarielle Erbscheinsurkunde – eine öffentliche Urkunde im Sinne dieser Vorschrift darstelt?

Die Vorlage ist beim Gerichtshof der Europäischen Union als Rechtssache C-658/17 (Musiał-Karg) anhängig.

(Wir danken Dr. Martin Margonski, Słubice, herzlich für den Hinweis und die Übersetzung der Vorlagefragen)

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