Sammelung von Rechtssprechungen in Bücher im Regal

Familienrechtliche Gesetzesvorhaben der Ampel-Regierung

Der Status Quo

Am 24.11.2021 veröffentlichte die Ampelkoalition ihren Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen: Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“. In diesem hat sich die Regierung auch ehrgeizige Ziele für die Weiterentwicklung des Familienrechts gesteckt. 1,5 Jahre vor der nächsten Bundestagswahl fassen wir für Sie zusammen, in welchen familienrechtlichen Bereichen die Regierung bislang tatsächlich Fortschritt gewagt hat:

 

Reform des Namensrechts

Viel geschafft hat die Bundesregierung in Bezug auf das Namensrecht: Eine Liberalisierung ist auf dem Weg, der Bundestag hat den Gesetzentwurf inzwischen angenommen. Möglich werden dadurch u.a. die Einführung echter Doppelnamen für Ehepaare und Kinder, die Erleichterung der Namensänderung für Stiefkinder und Scheidungskinder sowie die Erleichterung der Änderung des Geburtsnamens als Volljähriger. Für die FamRZ hat sich Anatol Dutta mit dem Gesetzentwurf beschäftigt. Das noch geltende Namensrecht war im FamRZ-Podcast (Folge 2: "Das deutsche Namensrecht" mit Anatol Dutta) bereits Thema. Das Gesetz soll zum 1.5.2025 in Kraft treten.

 

Selbstbestimmungsgesetz ersetzt Transsexuellengesetz

Wie im Koalitionsvertrag angekündigt wird die Ampelkoalition das Transsexuellengesetz abschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen. Dem Gesetzentwurf wurde inzwischen zugestimmt. Mit dem Gesetz sollen volljährige Menschen ihren Geschlechtseintrag (männlich, weiblich, divers oder keine Angabe) und ihre Vornamen künftig per Selbstauskunft beim Standesamt ändern können. Für die FamRZ hat sich Anatol Dutta mit dem Gesetzentwurf beschäftigt. Das Gesetz tritt am 1.11.2024 in Kraft.

 

Ehe und „Verantwortungsgemeinschaften“

Mit der „Verantwortungsgemeinschaft“, so heißt es im Koalitionsvertrag, möchte die Ampelkoalition jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen. Ein Eckpunktepapier dafür liegt inzwischen vor. Dieter Schwab kommentierte dieses ausführlich in der FamRZ. Ob es das neue Rechtsinstitut wirklich braucht – da sind sich die Familienrechtlerinnen und Familienrechtler uneinig. Ein Gesetzentwurf ist in Arbeit. Im "Einspruch"-Podcast der FAZ (Folge #290) spricht FamRZ-Schriftleiter Prof. Dr. Anatol Dutta über das Eckpunktepapier.

 

Reform des Abstammungsrechts

Laut Koalitionsvertrag soll außerdem noch in dieser Legislaturperiode das Abstammungsrecht reformiert werden: Mit der Veröffentlichung eines Eckpunktepapiers wurde der erste Schritt getan. Wie es darin heißt, soll mit dieser Reform u.a. endlich die sogenannte „Co-Mutterschaft“ ermöglicht werden. Im FamRZ-Podcast war bereits Thema, warum es nun wichtig ist, dass sich die Regierung bei diesem Vorhaben nicht vom aufgeheizten politischen Klima ausbremsen lässt.

Inzwischen ist aber auch klar: Dem Gesetzgeber bleibt in diesem Fall keine andere Wahl als zu handeln. Denn das Bundesverfassungsgericht hat im April entschieden, dass die Regelung zur Vaterschaftsanfechtung leiblicher Väter verfassungswidrig ist und der Gesetzgeber daher das Gesetz bis spätestens 30.6.2025 ändern muss. Zu diesem Urteil war FamRZ-Herausgeber Tobias Helms im "Einspruch"-Podcast der FAZ (Folge #295) zu hören. Er hat auch das Eckpunktepapier zum Abstammungsrecht für die FamRZ besprochen (FamRZ 2024, 489 {FamRZ-digital | }).

 

Reform des Sorge-, Umgangs- und Adoptionsrechts

Im Koalitionsvertrag wurde zudem angekündigt, dass die Regierung dafür sorgen will, dass die Ehe künftig nicht mehr ausschlaggebendes Kriterium bei der Adoption minderjähriger Kinder ist. In den inzwischen veröffentlichten Eckpunkten für die Reform des Sorge- und Umgangsrechts findet sich diese geplante Neuregelung tatsächlich wieder.

Und mehr: Mit vielen der vorgeschlagenen Regelungen soll die Privatautonomie der Eltern gestärkt werden. „Wo bleiben da die Rechte des Kindes?“ fragen sich das Podcast-Team und Richter am KG Prof. Dr. Rüdiger Ernst in Folge 20 von familiensachen. Sehr kritisch kommentieren das Eckpunktepapier auch Ulrike Sachenbacher und Thomas Kischkel in der FamRZ: Das Reformvorhaben sei in vielen Bereichen korrekturbedürftig. Konkret mit dem Vorschlag zu sofort vollstreckbaren privaten Umgangsvereinbarungen im Eckpunktepapier des BMJ beschäftigt sich Stephan Hammer in der FamRZ 2024, 582 {FamRZ-digital | }.

 

Reform des Unterhaltsrechts

Viel Aufregung erzeugte auch die Ankündigung einer tatsächlichen Reform des Unterhaltsrechts durch die Veröffentlichung eines Eckpunktepapiers. Die vorgeschlagenen Regelungen betreffen v.a. das sogenannte „asymmetrische Wechselmodell“ und lösten in der FamRZ eine Diskussion unter Fachleuten aus. Der eigentlich für Ende des Jahres 2023 geplante Gesetzentwurf lässt noch auf sich warten.

 

Reproduktive Selbstbestimmung

Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin hat kürzlich offiziell ihre Ergebnisse vorgestellt. Ein Teil der Kommission befasste sich mit der Streichung des Abtreibungsparagrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch, der andere Teil befasste sich mit einer möglichen Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft. Ob die Ampel-Regierung die heiklen Themen noch angehen wird, ist momentan unklar. Öffentliche Äußerungen der Koalitionäre lassen eher vermuten, dass man in diesen Bereichen vor großen Reformen zurückscheut.

 

Einführung der Kindergrundsicherung

Zum Projekt der Einführung einer Kindergrundsicherung wurde ein viel gescholtener Gesetzentwurf vorgelegt. Ein Inkrafttreten in der vogeschlagenen Form scheint derzeit eher unwahrscheinlich.

 

Weitere Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag

Wenig bis nichts getan hat sich bislang bei folgenden Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag:

  • Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz,
  • Fortbildungen für Familienrichterinnen und Familienrichter,
  • Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt,
  • Senkung der Hürden für die Nichtzulassungsbeschwerde.

Einen Überblick über alle bereits gestarteten und abgeschlossenen Gesetzgebungsprojekte der 20. Wahlperiode erhalten Sie auf unserer Übersichtsseite „Gesetzgebungsverfahren“ unter „Arbeitshilfen“.

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