Union, SPD, Grüne, AfD, FDP, Die Linke, BSW
Nachdem im November 2024 die jetzige Regierung scheiterte, löste der Bundespräsident Ende Dezember den Bundestag auf. Neuwahlen finden am 23.2.2025 statt. Inzwischen haben alle politischen Parteien Deutschlands ihre Wahlprogramme bekannt gegeben. Die AfD und die Linke haben bislang nur Entwürfe veröffentlicht, in die noch auf den Parteitagen beschlossene Änderungen eingearbeitet werden.
Die FamRZ-Redaktion hat einen Blick in diese Programme geworfen. Wir wollten wissen: Welche kurz- und mittelfristig gesteckten familienrechtlichen Ziele verfolgen sie? Welche Reformen kündigen sie an bzw. welche bereits begonnenen Vorhaben sollen fortgeführt werden? Unsere Erkenntnisse fassen wir im Folgenden zusammen.
SPD
Dei SPD bildet derzeit zusammen mit den Grünen und der FDP die Regierung. Laut ihrem Wahlprogramm sind der Partei folgende, das Familienrecht betreffende Punkte wichtig:
- Familienrecht stärker an den Kinderrechten orientieren
- Familien im Familien- und Abstammungsrecht vollständig gleichstellen
- Diskriminierungen queerer Familien im Familien- und Abstammungsrecht aufheben
- vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention durchsetzen
- Häusliche Gewalt im Sorge- und Umgangsverfahren berücksichtigen
- Verschärfung des Gewaltschutzgesetzes zum Schutz von Betroffener von häuslicher Gewalt (Maßnahmen wie elektronische Fußfesseln, Aufenthaltsverbote und Hausarreste)
- Kinderrechte im Grundgesetz verankern
- Frühe Hilfen für Familien in belasteten Lebenslagen schrittweise bis zum Ende der Grundschulzeit ausweiten
- Familienzusammenführung für subsidiär Schutzbedürftige weiterhin ermöglichen
Bündnis 90/Die Grünen
Die aktuellen Umfragen zur Bundestagswahl prognostizieren der Partei Bündnis 90/die Grünen den 4. Platz bei den Wählerstimmen. Im Wahlprogramm finden sich folgende familienrechtliche Versprechungen an die Wählerschaft:
- Diskriminierung von Regenbogenfamilien im Abstammungsrecht beenden
- Elternschaft von trans*, inter* und nicht binären Menschen berücksichtigen
- rechtliche Situation von Familien mit mehr als zwei Eltern verbessern
- Menschen ermöglichen, jenseits einer Ehe rechtlich verbindlich füreinander sorgen zu können
- Nach einer Trennung Partnerschaftsgewalt in Sorge- und Umgangsverfahren verpflichtend berücksichtigen
- Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung bei häuslicher Gewalt erhalten (z.B. Einsatz elektronischer Fußfessel)
- Kinderrechte ins Grundgesetz
- Kinder- und Jugendhilfe im SGBVIII und Care-Leaver besser unterstützen
- Vorhandene Strukturen zum Kinder- und Jugendschutz stärken
FDP
Viele der in der letzten Wahlperiode im BMJ unter FDP-Leitung begonnenen Gesetzesvorhaben, z.B. die Schaffung eines Rechtsinstituts der Verantwortungsgemeinschaft, liegen derzeit auf Eis. Sie stehen aber weiterhin auf der Agenda der Partei:
- Abstammungsrecht modernisieren
- unverheirateten Paaren Adoptionen erlauben
- Legalisierung der Eizellspende
- Zulässigkeit der Embryonenspende
- nicht-kommerzielle Leihmutterschaft ermöglichen
- Elternschaftsvereinbarungen, gerade in Regenbogenfamilien, vor der Empfängnis ermöglichen
- Verantwortungsgemeinschaft gesetzlich verankern
- einvernehmliche Scheidungen beschleunigen und Scheidungstermine auch per gerichtlicher Videokonferenz erlauben
- Wechselmodell als gesetzliches Leitbild
- Rechte der Großeltern im Umgang mit Kindern stärken
- Kinder- und Jugendhilfe weiterentwickeln
- Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten aussetzen
Union
Umfragen deuten an, dass die CDU/CSU bei der kommenden Bundestagswahl mit den meisten Wählerstimmen rechnen kann. Für das Familienrecht plant die Union laut ihrem Wahlprogramm
- bei Partnerschaftsgewalt das Sorge- und Umgangsrecht des gewalttätigen Elternteils auszuschließen.
- zu verhindern, dass Rechte des biologischen Vaters durch Vereinbarung der Mutter mit Dritten ausgehebelt werden.
- missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung unter Strafe zu stellen.
- eine Reform des Selbstbestimmungsgesetzes: bei Kindern und Jugendlichen soll ein unabhängiges psychologisches Gutachten vor Wechsel von Geschlechtseintrag und Vornamen zwingend sein; leichtfertiger Geschlechtswechsel bei Erwachsenen soll nicht beliebig möglich sein; jeder geschlechtsangleichenden Operation muss eine ausführliche unabhängige Zweitberatung vorausgehen.
- den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten auszusetzen.
AfD
Die AfD könnte den Umfragen zufolge bei der Bundestagswahl nach der Union die meisten Wählerstimmen bekommen. Diese inhaltlichen Ziele zum Familienrecht stehen im inzwischen verabschiedeten Leitantrag der Bundesprogrammkommission der AfD:
- Selbstbestimmungsgesetz vollumfänglich zurücknehmen
- Trennungsfamilien: Mediation vor Familiengerichtsverfahren verpflichtend machen; Sanktionen bei Verweigerung
- Wechselmodell als Regelfall, unter der Voraussetzung, dass sich die Eltern einig sind und im gleichen Schulbezirk wohnen; Existenzminimum von Eltern und Kindern in beiden Haushalten sichern
- Unbewiesene Behauptungen vor Familiengerichten dürfen nicht zu einem Kontaktabbruch führen, der dann Tatsachen für eine Entfremdung schafft
- Umgangsverweigerung zeitnah und wirkungsvoll sanktionieren; bei Wiederholungsfällen das Sorgerecht in Frage stellen
- Definition einheitlicher Kriterien für Inobhutnahmen auf Bundes- und Länderebene
- Ehen von in Deutschland lebenden Muslimen, die auf Polygamie, Zwangsheirat und Kinderehen beruhen, annullieren; gesetzliche Normen schaffen, welche die Folgen einer solchen Annullierung unter den Beteiligten regeln.
- Eheverträge zu güter- und unterhaltsrechtlichen Angelegenheiten nur nach deutschem Recht schließen
- Wegfall des grundsätzlichen Nachzugsanspruches für Familienangehörige subsidiär Schutzberechtigter
Die Linke
Wie bei der FDP ist auch bei der Linken derzeit unklar, ob sie die 5 %-Hürde nehmen wird. Dennoch lohnt es sich, das familienrechtliche Wahlprogramm (Entwurf) der Partei anzusehen:
- Regenbogenfamilien gleichstellen; das Abstammungsrecht reformieren
- Gleichwertigkeit aller Betreuungsmodelle im Familienrecht und in der Beratung
- Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) reformieren: z.B. Regelungen mit Blick auf den Kriegsfall oder rassistische Ausschlüsse etwa von Geflüchteten streichen
- Unterhaltsvorschuss gerechter gestalten, indem u. a. das Kindergeld nicht mehr voll angerechnet und das Bezugsalter bis zum 25. Lebensjahr ausgeweitet wird
- Gewaltschutz im Sorge- und Umgangsrecht verankern; Partnerschaftsgewalt muss als Kindeswohlgefährdung anerkannt werden
- Vollständige Umsetzung der „Istanbul-Konvention“; u.a. Frauenhäuser bedarfsgerecht und verlässlich finanzieren
- Kinderrechte im Grundgesetz verankern
BSW
Im Vergleich eher wenig lässt sich abschließend dem Wahlprogramm des Bündnis Sahra Wagenknecht entnehmen:
- Selbstbestimmungsgesetz wird abgelehnt