Reformen von Namens-, Sorge-, Umgangs- und Unterhaltsrecht?
Am 9.4.2025 wurde der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD veröffentlicht. Unter dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ benennt das 144 Seiten umfassende Dokument auch einige familienrechtlich relevante Vorhaben. Unklar ist nach der Lektüre, ob eine Fortführung der noch von der Ampel-Regierung geplanten Reformen vorgesehen ist. Es heißt im Koalitionsvertrag dazu lediglich: "Bei Reformen des Familienrechts und Familienverfahrensrechts werden wir uns vom Wohl des Kindes leiten lassen." (S. 90). Die folgenden Passagen fassen zentrale Aussagen mit Bezug zum Familienrecht sowie angrenzenden Rechtsgebieten und Regelungsbereichen zusammen. Die Seitenzahlen beziehen sich auf das Originaldokument.
Den Stand aller begonnener und abgeschlossener Gesetzgebungsverfahren in der letzten Wahlperiode finden Sie auf unserer Übersichtsseite.
Sorge- und Umgangsrecht (S. 90–91)
Von einer umfassenden Reform des Kindschaftsrechts ist im Koaltionsvertrag nichts zu lesen. Hervorgehoben wird im Vertrag aber: Häusliche Gewalt stellt eine Kindeswohlgefährdung dar und soll im Sorge- und Umgangsrecht zulasten des Gewalttäters berücksichtigt werden.
Unterhaltsrecht und Unterhaltsvorschuss (S. 91, 100)
Auch zum Unterhaltsrecht heißt es nur, dass geplante Reformen nicht zulasten von Kindern oder betreuenden Elternteilen gehen sollen. Eine stärkere Verzahnung mit dem Steuer- und Sozialrecht sei außerdem vorgesehen. Im Bereich des Unterhaltsvorschusses werden die folgenden Maßnahmen angekündigt:
- Einführung einer unterjährigen Auskunftspflicht für Unterhaltsschuldner,
- Härtere Sanktionen, etwa durch Führerscheinentzug,
- Prüfung der Pfändungsfreigrenzen,
- sowie eine nur hälftige Anrechnung des Kindergeldes auf den Unterhaltsvorschuss.
Abstammungsrecht (S. 91)
Die von der Ampelregierung begonnene und von Expertinnen und Experten seit langem geforderte Reform des Abstammungsrechts wird im Koalitionsvertrag nicht erwähnt. Lediglich die sogenannten missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen sollen künftig wirksam unterbunden werden.
Namensrecht (S. 91, 104)
Das erst kürzlich reformierte Namensrecht soll erneut vereinheitlicht und vereinfacht werden. Im Rahmen der „geplanten Namensrechtsreform“ sei u.a. vorgesehen, die Nachverfolgbarkeit von Namensänderungen bei berechtigtem öffentlichen Interesse zu verbessern.
Selbstbestimmungsgesetz (S. 104)
Das kürzlich in Kraft getretene Gesetz zur Selbstbestimmung beim Geschlechtseintrag wird bis spätestens 31.7.2026 evaluiert. Die Evaluation soll sich insbesondere auf folgende Aspekte konzentrieren:
- Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche,
- Fristsetzungen beim Wechsel des Geschlechtseintrags,
- sowie den wirksamen Schutz von Frauen.
Reform der Betreuervergütung (S. 87)
Das Betreuervergütungsgesetz soll evaluiert werden. Ziel ist eine nachhaltige und leistungsgerechte Reform der Vergütungsstruktur.
Digitalisierung der Justiz (S. 84)
Für familiengerichtliche Verfahren relevant ist ein der geplante weitere Ausbau der Digitalisierung der Justiz, einschließlich:
- elektronischem Rechtsverkehr,
- digitaler Rechtsantragsstellen,
- einem bundesweiten Justizportal
- und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Justiz.
Erweiterter Blick: Angrenzende Rechtsgebiete und Politikfelder
Der Koalitionsvertrag 2025 enthält neben klassischen Konstellationen im Familienrecht auch zahlreiche Vorhaben aus angrenzenden Rechtsgebieten und Politikfeldern, die für in der familienrechtlichen Praxis Tätige bedeutsam sein können. Dies betrifft unter anderem Fragen des Kinderschutzes, der Gleichstellung, der Pflege und des Gewaltschutzes.
Familiennachzug (S. 93)
Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten soll für zwei Jahre ausgesetzt werden. Härtefälle bleiben davon unberührt. Eine Prüfung zur Fortführung dieser Regelung soll nach Ablauf der Frist erfolgen.
Ganztagsbetreuung in der Grundschule (S. 98)
Der Ausbau der Ganztagsbetreuung an Grundschulen wird weiterverfolgt.
- Bürokratische Hürden sollen abgebaut,
- Kommunen durch mehr Gestaltungsspielräume gestärkt
- und freie Träger der Jugendarbeit in die Umsetzung einbezogen werden.
Zudem wird das Investitionsprogramm Ganztag um zwei Jahre verlängert und aufgestockt.
Frühe Hilfen und Kinderschutz (S. 99–101)
Die Frühen Hilfen zur Unterstützung von Familien ab der Schwangerschaft sollen gestärkt und modellhaft auf Kinder bis sechs Jahre erweitert werden. Der Kinder- und Jugendschutz wird ebenfalls ausgebaut, u. a. durch:
- eine Kommission für digitalen Kinderschutz,
- verpflichtende Altersverifikationen für digitale Inhalte,
- Bundesförderung von Childhood-Häusern als interdisziplinäre Anlaufstellen bei Gewalt oder Missbrauch,
Außerdem soll das Ziel der inklusiven Jugendhilfe weiterverfolgt werden. Schnittstellen sollen abgebaut und der Zugang zu Leistungen für Familien vereinfacht werden.
Gleichstellung und unbezahlte Sorgearbeit (S. 101)
Die Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung wird fortgeführt. Ziel ist u. a.:
- strukturelle Benachteiligungen für Frauen im Alltag zu beseitigen,
- die faire Verteilung von unbezahlter Sorgearbeit (Kinderbetreuung, Pflege),
- die Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie zum Entgelt,
- und die Stärkung von Frauen in Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medien, in Politik und Parlamenten.
Mutterschutz für Selbstständige (S. 102)
Geprüft wird die Einführung eines Mutterschutzes für Selbstständige analog zu den Fristen für Angestellte. Auch eine betriebssichernde Finanzierung sowie eine Aufklärungskampagne sind geplant.
Kinderwunsch und Reproduktionsmedizin (S. 102)
Die Bundesinitiative zur Unterstützung bei ungewollter Kinderlosigkeit soll fortgeführt und ausgebaut werden.
Pflege von Angehörigen (S. 103)
- Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz sollen zusammengeführt werden.
- Freistellungsansprüche sollen flexibler gestaltet und der Angehörigenkreis erweitert werden.
- Perspektivisch wird die Einführung eines „Familienpflegegeldes“ geprüft.
Gewaltschutz (S. 103)
Die Bundesregierung entwickelt die Gewaltschutzstrategie im Sinne der Istanbul-Konvention und der EU-3269 Gewaltschutzrichtlinie zu einem Nationalen Aktionsplan weiter. Geplant sind:
- Stärkung der Prävention, Aufklärung und Täterarbeit,
- Ausbau der Koordinierungsstelle gegen geschlechtsspezifische Gewalt,
- und Einführung der anonymen Spurensicherung ohne vorherige Strafanzeige.
Queeres Leben, Diskriminierungsschutz (S. 104)
Die Koalition bekennt sich zum Schutz queeren Lebens vor Diskriminierung und Gewalt. Entsprechende Sensibilisierungs- und Bildungsmaßnahmen sind vorgesehen.