Sammelung von Rechtssprechungen in Bücher im Regal

EuGH-Entscheidung zum Familiennachzug wird offenbar nicht umgesetzt

Bundesverband umF kritisiert Rechtsauffassung des Auswärtigen Amts

Am 12.4.2018 entschied der Gerichtshof der Europäischen Union, dass ein unbegleiteter Minderjähriger, der während des Asylverfahrens volljährig wird, sein Recht auf Familienzusammenführung behält (Rs. C-550/16). Wie nun bekannt wurde, lehnt das Auswärtige Amt aber weiter Anträge auf Familiennachzug, in denen während des Verfahrens die Volljährigkeit eingetreten ist, ab. Entsprechende Hinweise erreichen derzeit vermehrt den Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, wie dieser berichtet. Das Argument des Auswärtigen Amts ist, dass das EuGH-Urteil in Deutschland nicht anwendbar ist, da eine Vergleichbarkeit mit der niederländischen Rechtslage fehle. Es werde daher in Deutschland nicht umgesetzt. Ob es sich hierbei bereits um eine abgestimmte Position der Bundesregierung handelt, ist noch unbekannt.

Der Leitsatz der betreffenden EuGH-Entscheidung erschien in FamRZ 2018, 1039 mit einer Anmerkung von Henrich. Dieser betonte u.a., dass abzuwarten bleibe, welche Auswirkungen die Entscheidung des EuGH auf die deutsche Praxis haben werde. In Deutschland sei dem Nachzug der Eltern von vornherein die Begrenzung auf den Zeitpunkt bis zur Volljährigkeit des Kindes immanent. „Tatsächlich kann man zweifeln, ob ein Volljähriger noch des Schutzes seiner Eltern bedarf. In der Entscheidung des EuGH ist von einer solchen zeitlichen Begrenzung der Aufenthaltserlaubnis keine Rede.“

 

„Position des Auswärtigen Amts ist rechtswidrig“

In der Mitteilung des Bundesfachverbands umF heißt es weiter, dass es „die aktuell vertretene Position des Auswärtigen Amtes mit dem Recht der Europäischen Union für unvereinbar und rechtswidrig“ halte.

Das Argument, die deutsche Rechtslage entspreche den Anforderungen des EuGH in der Rechtssache C‑550/16 nicht, lässt u.E. nur den Schluss zu, dass die deutsche Rechtslage (oder Rechtspraxis) richtlinienkonform geändert bzw. ausgelegt werden muss. Nicht das EU-Recht muss sich nach deutschem Recht richten, sondern deutsches Recht muss dem der EU genügen. Die Auffassung des Auswärtigen Amtes stellt die europäische Integration auf den Kopf, allen voran den EuGH als deren Motor.

Der Bundesfachverband umF weist weiter darauf hin, dass Betroffenen nach aktuellem Stand nur der Klageweg bliebe. Er ermutige ausdrücklich dazu, nach sorgfältiger Prüfung des Sachverhaltes, Rechtsmittel einzulegen. Eine anwaltliche Vertretung werde empfohlen. Der Rechtshilfefonds des Bundesfachverbandes umF unterstütze Klagen, die Bedeutung über den Einzelfall hinaus haben, auch finanziell.

Der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge hat auf seiner Website aktuelle Hinweise zur EuGH-Entscheidung vom 12.4.2018 veröffentlicht. Diese sind an der Rechtsauffassung des Auswärtigen Amts ausgerichtet.

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