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Auslegung des Haager Unterhaltsprotokolls

- Redaktionsmeldungen

Schlussanträge des Generalanwalts zur ersten EuGH-Vorlage

Am 30.1.2018 legte Generalanwalt Szpunar seine Schlussanträge in der Rechtssache C-83/17 (KP ./. LO) vor. Darin stellt er klar, dass auch eine Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung des Haager Unterhaltsprotokolls von 2007 besteht. Zwar handelt es sich hierbei nicht um einen Rechtsakt der Europäischen Union, sondern um einen Staatsvertrag. Das Protokoll wurde aber von der Europäischen Union für die Mitgliedstaaten in Kraft gesetzt hat.

 

Vorabentscheidungsersuchen des österreichischen Obersten Gerichtshofs

Der österreichische Oberste Gerichtshof hatte den EuGH um Auslegung der Bestimmungen des Haager Protokolls in einem deutsch-österreichischen Fall zum Kindesunterhalt ersucht. Das letztinstanzlich zuständige österreichische Gericht hatte Zweifel bezüglich des auf Unterhaltspflichten anzuwendenden Rechts. Der Fall ist die erste EuGH-Vorlage zum Haager Unterhaltsprotokoll überhaupt. Die bislang eingereichten unterhaltsrechtlichen Vorabentscheidungsersuchen betrafen weder direkt die Bestimmungen des Haager Protokolls noch Art. 15 der europäischen Unterhaltsverordnung, der – in Bezug auf die mit dem anzuwendenden Recht verbundenen Fragen – auf das Protokoll verweist.

Konkret ging es im vorliegenden Fall um die Auslegung des Art. 4 Abs. 2 des Haager Unterhaltsprotokolls. Nach dieser Vorschrift ist das am Ort des angerufenen Gerichts geltende Unterhaltsrecht anzuwenden, wenn der Unterhaltsberechtigte vom Unterhaltsverpflichteten nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten keinen Unterhalt erhält.

Szpunar schlägt dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des österreichischen Obersten Gerichtshofs wie folgt zu beantworten:

1. Art. 4 Abs. 2 des Haager Protokolls vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht im Anhang zum Beschluss 2009/941/EG des Rates vom 30. November 2009 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (ABl. 2009, L 331, S. 17) ist dahin auszulegen, dass das Recht des Staates des angerufenen Gerichts zur Anwendung gelangt, wenn die berechtigte Person von der verpflichteten Person Unterhalt für die Vergangenheit begehrt, sofern 1) die berechtigte Person das Unterhaltsverfahren in einem anderen Staat als dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts der verpflichteten Person eingeleitet hat, 2) die berechtigte Person nach dem gemäß Art. 3 Abs. 1 und 2 des Haager Protokolls von 2007 als anwendbar bestimmten Recht des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthalts keinen Unterhalt von der verpflichteten Person erhalten kann, 3) es sich bei dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts um das Recht desjenigen Staates handelt, dessen Gerichte in dem Zeitraum, den die Unterhaltsansprüche betreffen, für Unterhaltssachen zuständig waren. Die Feststellung dieser Umstände ist Sache des nationalen Gerichts.

2. Art. 4 Abs. 2 des Haager Protokolls von 2007 ist dahin auszulegen, dass die Wendung „kann die berechtigte Person … keinen Unterhalt erhalten“ sich auch auf den Fall bezieht, dass das am bisherigen Aufenthaltsort der berechtigten Person geltende Recht bereits mangels Einhaltung bestimmter gesetzlicher Voraussetzungen keinen Unterhalt für die Vergangenheit vorsieht.

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