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72. DJT: Beschlüsse der Abteilung Familienrecht

- Redaktionsmeldungen

Umfassende Reformen gefordert

Am 26.9.2018 startete der 72. Deutsche Familiengerichtstag in Leipzig. Dieser hatte erneut eine familienrechtliche Abteilung. Die Teilnehmer diskutierten dieses Jahr den Reformbedarf im Sorge-, Umgangs- und Unterhaltsrecht. Abteilungsvorsitzende Nina Dethloff fasste in ihren Schlussworten zusammen:

Die Beschlüsse der Abteilung bringen sämtlich zum Ausdruck, dass das Recht der Realität von Trennungsfamilien stärker Rechnung tragen muss und in allen Rechtsbereichen klare gesetzliche Regelungen für verschiedene Betreuungsformen zu schaffen sind. Einig war man sich auch darin, dass dabei stets das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen muss.

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Bereits der letzte Juristentag hat umfangreiche Vorschläge für eine Modernisierung des Kindschaftsrechts unterbreitet - vor allem in den Bereichen Abstammung und Adoption. Nun liegen weitere wegweisende Beschlüsse vor, die den Gesetzgeber zu einer großen Kindschaftsrechtsreform auffordern!

Die wichtigsten Beschlüsse finden Sie im Folgenden. Die vollständigen Handlungsempfehlungen an den Gesetzgeber aus dem Bereich Familienrecht können Sie am Ende des Artikels als PDF abrufen.

 

Anordnung des Wechselmodells

Die Abstimmenden der Abteilung Familienrecht waren mehrheitlich der Meinung, dass die geteilte Betreuung (sog. Wechselmodell) als gleichwertiges Betreuungsmodell neben dem Residenzmodell gesetzlich abgebildet werden solle. Dabei solle für getrenntlebende Eltern die Möglichkeit geschaffen werden, dass sie einen gerichtlich gebilligten Vergleich auch über die Regelung der Betreuung schließen können. § 156 II FamFG, der bislang nur Umgang und Herausgabe erfasst, solle dementsprechend erweitert werden.

Für die gerichtliche Anordnung einer geteilten Betreuung sei eine eigene Regelung zu schaffen. Das Verfahren solle durch einen Antrag eingeleitet werden, den jeder Elternteil stellen kann. Bei der Entscheidung über eine Betreuung seien insbesondere

  • Art und Ausmaß des Elternkonflikts
  • Die Beziehungsqualität des Kindes zu beiden Elternteilen
  • Alter, Persönlichkeit und Wille des Kindes
  • Geschwisterbeziehung
  • Räumliche Distanz zwischen den Wohnungen der Eltern

zu prüfen. Danach müsse entschieden werden, welche Regelung dem Kindeswohl am besten entspricht (Kindeswohlprüfung im Sinne des §1697a BGB). Die Abteilung nahm mit einer Mehrheit der Stimmen (22:16:13) auch einen Antrag an, dass die Anordnung der geteilten Betreuung auszuschließen sei, wenn die Eltern nicht die „kindeswohldienliche Fähigkeit zur Kooperation und Kommunikation haben“.

 

Umgangsrecht reformieren, Kindeswille stärken

Weitgehend einig war sich die familienrechtliche Abteilung in Bezug auf den Reformbedarf im Umgangsrecht: Die Bestimmung des Umgangs durch das Familiengericht sei im Elternkonflikt als reines Antragsverfahren auszugestalten. Die Anordnung einer Umgangspflegschaft setze einen Antrag eines Elternteils voraus und müsse dem Wohl des Kindes entsprechen. Außerdem seien die Tatbestände zur Einschränkung und zum Ausschluss des Umgangsrechts präziser zu fassen.

Einig waren sich die Familienrechtler auch bei dem Thema Stärkung des Kindeswillens. Kinder sollten künftig in Angelegenheiten, die sie persönlich betreffen, mit zunehmendem Alter und Entwicklungsstand viel mehr gehört werden. Kindern ab 14 Jahren solle gar ein eigenes Antragsrecht eingeräumt werden.

 

Reform des Kindesunterhaltsrechts

Konsens herrschte zudem darüber, dass das Kindesunterhaltsrecht zu kompliziert sei. Vor allem die Ermittlung des Bedarfs des Kindes und der Betreuungsanteile sei einfacher zu gestalten. So würden zum Beispiel flexiblere kindorientierte Anpassungen der Betreuungszeiten möglich. Auf Ablehnung stieß der Vorschlag, dass die Festlegung des Unterhaltsbedarfs von Kindern künftig durch den Gesetzgeber selbst erfolgen solle und nicht mehr durch die Gerichte, also durch die Düsseldorfer Tabelle.

 

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