Bundesverfassungsgericht soll entscheiden
Der BGH hat ein Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt, in dem es maßgeblich auf die Wirksamkeit des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen ankommt (Beschluss v. 14.11.2018 – XII ZB 292/16).
Amtsgericht ordnete Vormundschaft an
Der am 1994 geborene Antragsteller und die am 2001 geborene minderjährige Betroffene sind syrische Staatsangehörige. Sie wuchsen im selben Dorf in Syrien auf. Am 10.2.2015 schlossen sie vor dem Scharia-Gericht in Sarakeb/Syrien die Ehe. Aufgrund der Kriegsereignisse flüchteten sie über die sogenannte "Balkanroute" von Syrien nach Deutschland, wo sie im August 2015 ankamen.
Nach ihrer Registrierung in einer Erstaufnahmeeinrichtung wurde die Betroffene, die bis dahin seit Februar 2015 mit dem Antragsteller zusammengelebt hatte, im September 2015 vom Jugendamt in Obhut genommen, vom Antragsteller getrennt und in eine Jugendhilfeeinrichtung für weibliche minderjährige unbegleitete Flüchtlinge verbracht. Das Amtsgericht stellte das Ruhen der elterlichen Sorge fest und ordnete Vormundschaft an. Zum Vormund wurde das zuständige Stadtjugendamt bestellt.
OLG hob Entscheidung des AmtsG auf
Der Antragsteller, der zunächst nicht wusste, wohin die Betroffene verbracht worden war, hat sich im Dezember 2015 an das AmtsG gewandt. Er beantragte eine Überprüfung der Inobhutnahme sowie die Rückführung der Betroffenen. Das AmtsG deutete das Begehren des Antragstellers in einen Antrag auf Regelung des Umgangsrechts zwischen dem Antragsteller und der Betroffenen um. Es hat das Umgangsrecht dahingehend geregelt, dass die Betroffene das Recht habe, jedes Wochenende von Freitag 17 Uhr bis Sonntag 17 Uhr mit dem Antragsteller zu verbringen.
Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vormunds, mit der dieser ein Umgangsrecht von nur einmal wöchentlich in der Zeit von 14 bis 17 Uhr in Begleitung eines Dritten erreichen wollte, mit Beschluss vom 12.5.2016 zurückgewiesen; zugleich hat es die Entscheidung des AmtsG von Amts wegen aufgehoben, weil dem Vormund wegen der auch in Deutschland gültigen Ehe keine Entscheidungsbefugnis für den Aufenthalt der Betroffenen zustehe. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Vormunds der Betroffenen, der weiterhin ein reduziertes Umgangsrecht nur in Begleitung eines Dritten erreichen will.
BGH holt nun Entscheidung des BVerfG ein
Der BGH hat das Verfahren nun ausgesetzt, um eine Entscheidung des BVerfG einzuholen. Beantwortet werden soll die Frage, ob Art. 13 III Nr. 1 EGBGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17.7.2017 mit Art. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit eine unter Beteiligung eines nach ausländischem Recht ehemündigen Minderjährigen geschlossene Ehe nach deutschem Recht - vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB - ohne einzelfallbezogene Prüfung als Nichtehe qualifiziert wird, wenn der Minderjährige im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte.
Der Ausgang des Verfahrens hängt von der Wirksamkeit der Ehe des Antragstellers und der Betroffenen nach deutschem Recht ab. Denn eine wirksame Ehe schließt eine Ausübung des dem Vormund nach §§ 1800, 1631 bis 1632 BGB zustehenden Sorgerechts dahingehend aus, dass die Betroffene nur einmal wöchentlich die Zeit von 14 bis 17 Uhr in Begleitung eines Dritten mit dem Antragsteller verbringen darf.
BGH geht von Unvereinbarkeit mit Grundgesetz aus
Der BGH ist der Überzeugung, dass die gesetzliche Anordnung der Unwirksamkeit der von einem noch nicht 16-jährigen Minderjährigen nach ausländischem Recht wirksam geschlossenen Ehe in Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB - vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB - mit Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar ist.
Dies nimmt der BGH insofern an, als die Wirksamkeit der Ehe nach deutschem Recht generell und ohne Rücksicht auf den konkreten Fall versagt wird. Zudem würden - im Gegensatz zur Übergangsregelung für im Inland geschlossene Kinderehen nach Art. 229 § 44 Abs. 1 EGBGB - auch vor dem 22.7.2017 nach ausländischen Recht wirksam geschlossene Ehen unwirksam, die – wie die vorliegend zu beurteilende Ehe - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen auch nach deutschem Recht wirksam und nur aufhebbar waren.
Vorinstanzen:
AmtsG Aschaffenburg - Beschluss v. 7.3.2016 – 7 F 2013/15
OLG Bamberg - Beschluss v. 12.5.2016 – 2 UF 58/16 – FamRZ 2016, 1270 [m. Anm. Mankowski] (FamRZ-digital | FamRZ bei juris)
Zum Weiterlesen:
Ermessen bei Aufhebung einer Minderjährigenehe: AmtsG Frankenthal, Beschl. v. 15.2.2018 – 71 F 268/17 in FamRZ 2018, 749 (m. Anm. Löhnig) [FamRZ-digital | FamRZ bei juris] und AmtsG Nordhorn Beschl. v. 29.1.2018 – 11 F 855/17 E1 in FamRZ 2018, 750 (FamRZ-digital | FamRZ bei juris)
"Die verbotene Kinderehe" von Schwab in FamRZ 2017, 1369 (FamRZ-digital | FamRZ bei juris)
"Das Verbot der Kinderehe nach neuem Recht aus kollisionsrechtlicher Sicht" von Hüßtege in FamRZ 2017, 1374 (FamRZ-digital | FamRZ bei juris)
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Quelle: Pressemitteilung Nr. 186/2018 des BGH vom 14.12.2018