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„Verbleib“ im Aussiedlungsgebiet nur bei tatsächlichem Aufenthalt

Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 15.1.2019 - BVerwG 1 C 29.18

Ein Familienangehöriger kann nur dann nachträglich in den Aufnahmebescheid eines Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn er durchgängig im Aussiedlungsgebiet „verblieben“ ist. Dafür muss sich der Familienangehörige im Regelfall auch tatsächlich deutlich überwiegend im Aussiedlungsgebiet aufgehalten haben. Dies hat das BVerwG in Leipzig gestern entschieden (Az: BVerwG 1 C 29.18).

 

Enkelin arbeitete von Singapur aus

Der 1935 geborene Kläger begehrt die Einbeziehung seiner 1984 geborenen Enkelin in den ihm 1998 erteilten Aufnahmebescheid; beide stammen aus der Ukraine. Der Kläger reiste im November 1998 in das Bundesgebiet ein und erhielt im April 1999 eine Spätaussiedlungsbescheinigung. Im April 2014 beantragte er beim Bundesverwaltungsamt unter anderem die nachträgliche Einbeziehung seiner Enkelin in den ihm erteilten Aufnahmebescheid. Dieses lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG seien nicht erfüllt. Die Enkelin des Klägers sei nicht im Aussiedlungsgebiet sei; seit 2008 habe sie ihren Lebensmittelpunkt nicht mehr in der Ukraine gehabt. Sie habe berufsbedingt zunächst in Shanghai (China) und seit Februar 2014 in Singapur gelebt.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, die Enkelin des Klägers in den ihm erteilten Aufnahmebescheid nachträglich einzubeziehen. Die Enkelin des Klägers sei ein im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling, weil sie ihren Wohnsitz seit der Aussiedlung des Klägers ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet gehabt habe. Sie habe einen Wohnsitz weder in China noch in Singapur begründet. In China sei der Aufenthalt von vornherein - ähnlich dem eines Studierenden - auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt gewesen. Der Aufenthalt in Singapur sei zwar angesichts der unbefristeten Anstellung nicht auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt, jedoch diene Singapur ihr ersichtlich nur als Stützpunkt für ihre mehr als zwölfmal jährlich stattfindenden - bisweilen über mehrere Wochen dauernden - Dienstreisen. Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles stehe fest, dass sie in subjektiver Hinsicht ihren Wohnsitz in der Ukraine nicht aufgegeben habe.

 

Tatsächlicher Aufenthalt im Aussiedlungsgebiet nötig

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Die nachträgliche Einbeziehung eines Ehegatten oder eines Abkömmlings in einen Aufnahmebescheid ist nach § 27 Abs. 2 Satz 3 AufenthG nur möglich, wenn dieser seit der Übersiedlung des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet „verblieben“ ist, so das BVerwG. Hierfür reiche ein durchgängiger Wohnsitz allein nicht aus.

Der Familienangehörige müsse sich im Regelfall auch tatsächlich deutlich überwiegend im Aussiedlungsgebiet aufgehalten haben. Dies sei bei der Enkelin des Klägers nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Kürzere Besuchsaufenthalte im Aussiedlungsgebiet begründeten einen Ausnahmefall auch dann nicht, wenn der Fortbestand eines Wohnsitzes dort sowie familiärer Bindungen dorthin unterstellt werden.

Vorinstanzen:

OVG Münster, Urteil vom 14.5.2018 - 11 A 1373/17

VG Köln, Urteil vom 25.4.2017 - 10 K 5111/16

Zum Weiterlesen:

Abgeleitetes Aufenthaltsrecht und Erwerb des Spätaussiedlerstatus - Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 20.11.2018 – 1 C 5.17

 

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 3/2019 vom 15.01.2019

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