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Umgangsrecht des leiblichen Vaters nach Adoption des Kindes

Bundesgerichtshof, Beschluss v. 16.6.2021 - XII ZB 58/20

Ob und in welchem Umfang dem leiblichen Vater ein Umgangsrecht zustehe, beurteile sich vornehmlich danach, ob er ein ernsthaftes Interesse am Kind gezeigt habe und inwiefern der Umgang dem Kindeswohl diene. Dies gelte auch, wenn das Kind mit seiner Einwilligung von der eingetragenen Lebenspartnerin der Mutter adoptiert worden ist, so der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16.6.2021 (Az.: XII ZB 58/20). Dabei habe der leibliche Vater das Erziehungsrecht der rechtlichen Eltern zu respektieren, ohne dass dieses die Eltern zur Verweigerung des Umgangs berechtigt.

 

Leiblicher Vater hatte von Geburt an Kontakt zum Kind

Die Mutter des mittels einer sogenannten privaten Samenspende des Antragstellers gezeugten und im August 2013 geborenen Kindes lebt in eingetragener Lebenspartnerschaft mit der weiteren Beteiligten (Lebenspartnerin). Die Lebenspartnerin adoptierte das Kind 2014 mit Einwilligung des Antragstellers im Wege der sogenannten Stiefkindadoption. Der Antragsteller hatte zunächst bis 2018 Umgangskontakte mit dem Kind, die entweder im Haushalt der (rechtlichen) Eltern stattfanden oder die außerhalb von einer von ihnen begleitet wurden. Das Kind hat Kenntnis von der leiblichen Vaterschaft des Antragstellers.

Im Sommer 2018 äußerte er gegenüber den Eltern den Wunsch, Umgang mit dem Kind in seiner häuslichen Umgebung und für einen längeren Zeitraum zu haben, was diese ablehnten. Nach zwei weiteren Treffen brach der persönliche Kontakt des Antragstellers zu dem Kind ab. Der Antragsteller hat eine Umgangsregelung dahin beantragt, dass er das Kind 14-tägig dienstags um 13:30 Uhr aus der Kita abholt und es um 18:00 Uhr seinen Eltern übergibt. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde des Antragstellers ist vom Beschwerdegericht zurückgewiesen worden, weil für ein Umgangsrecht keine Rechtsgrundlage bestehe.

 

Private Samenspende unterscheidet sich von „offizieller Samenspende“

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hat der BGH den Beschluss des Beschwerdegerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.

Zwar sei ein Umgangsrecht nach § 1684 BGB nicht gegeben, weil dieses nur rechtlichen Eltern zustehe und damit für den Antragsteller als nur leiblichem Vater ausscheide. Auch ein Anspruch aus § 1685 Abs. 2 BGB (Umgangsrecht von engen Bezugspersonen) bestehe nicht. Hierfür sei erforderlich, dass eine von tatsächlicher Verantwortungsübernahme geprägte sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind begründet wurde, welche im vorliegenden Fall aber aufgrund der zeitlichen Begrenzung der stets von den Eltern begleiteten Kontakte nicht gegeben war.

Dagegen sei ein Anspruch gemäß § 1686 a Abs. 1 Nr. 1 BGB (Umgangsrecht des leiblichen Vaters) grundsätzlich möglich. Danach hat der leibliche Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat, ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient. Nach § 167 a Abs. 1 FamFG sind Anträge nur zulässig, wenn der Antragsteller an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Dass das Kind mithilfe einer sogenannten privaten Samenspende gezeugt worden ist, hindere die Anspruchsberechtigung des Erzeugers und die Zulässigkeit des Antrags nicht, so der BGH. Dem privaten Samenspender wäre im Unterschied zur "offiziellen Samenspende" bei ärztlich unterstützter Befruchtung nach § 1600 d Abs. 4 BGB die Feststellung seiner Vaterschaft nicht kraft Gesetzes versperrt. Auch die durchgeführte Adoption schließe das Umgangsrecht nach § 1686 a Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht aus. Insofern bestehe kein sachlicher Unterschied zwischen einer Stiefkindadoption durch den Ehemann der Mutter und der – vom Gesetz nicht ausdrücklich berücksichtigten – durch Adoption begründeten Elternschaft der Lebenspartnerin oder Ehefrau der Mutter.

 

Eltern sind zur Verweigerung des Umgangs nicht berechtigt

Dass der Antragsteller in die Adoption eingewilligt hatte, stehe dem Umgangsrecht ebenfalls nicht entgegen. Die Einwilligung des leiblichen Vaters in die Adoption schließe das Umgangsrecht vielmehr nur aus, wenn darin gleichzeitig ein Verzicht auf das Umgangsrecht zu erblicken ist. Daran fehle es jedenfalls dann, wenn das Kind nach Absprache der Beteiligten den leiblichen Vater kennenlernen und Kontakt zu ihm haben sollte. Dies stehe auch im Einklang mit adoptionsrechtlichen Wertungen. Denn das Adoptionsrecht sehe für die sogenannte offene oder halboffene Adoption zunehmend auch die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Kontakts zwischen Kind und Herkunftsfamilie vor.

Ob und in welchem Umfang ein Umgang zu regeln ist, beurteile sich daher vornehmlich danach, ob der leibliche Vater ein ernsthaftes Interesse am Kind gezeigt hat und inwiefern der Umgang dem Kindeswohl dient. Dabei habe der leibliche Vater das Erziehungsrecht der rechtlichen Eltern zu respektieren, ohne dass dieses die Eltern zur Verweigerung des Umgangs berechtigt.

Das Beschwerdegericht hat nach Zurückverweisung des Verfahrens nunmehr zu prüfen, ob und inwiefern der Umgang im vorliegenden Fall dem Kindeswohl dient, und hierfür auch das inzwischen siebenjährige Kind persönlich anzuhören.

 

Quelle: Pressemitteilung Nr. 134/2021 des BGH vom 19.7.2021

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