Bundesgerichtshof, Beschluss v. 20.3.2019 – XII ZB 530/17
Auf die rechtliche Abstammung eines in der Ukraine von einer Leihmutter geborenen Kindes findet deutsches Recht Anwendung, wenn das Kind entsprechend dem übereinstimmenden Willen aller beteiligten Personen ohne vorherige Abstammungsentscheidung alsbald nach der Geburt rechtmäßig nach Deutschland verbracht worden ist. Dies hat der BGH am 20.3.2019 entschieden (Az.: XII ZB 530/17).
Leihmutter als Mutter im Geburtenregister
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind in Deutschland lebende Ehegatten deutscher Staatsangehörigkeit. Nach den Feststellungen des OLG wurde in der Ukraine eine mit dem Sperma des Ehemanns befruchtete Eizelle der Ehefrau der ukrainischen Leihmutter eingesetzt. Diese gebar im Dezember 2015 in Kiew das betroffene Kind. Bereits vor der Geburt hatte der Ehemann vor der Deutschen Botschaft in Kiew die Vaterschaft mit Zustimmung der Leihmutter anerkannt. Das ukrainische Standesamt registrierte nach der Geburt die deutschen Ehegatten als Eltern und stellte eine entsprechende Geburtsurkunde aus.
Nachdem die Ehegatten mit dem Kind nach Deutschland zurückgekehrt waren, wurde auf ihren Antrag im Januar 2016 die Auslandsgeburt entsprechend der ukrainischen Geburtsurkunde beurkundet. Erst aufgrund eines später eingegangenen und ebenfalls auf die Beurkundung der Auslandsgeburt gerichteten Antrags der Deutschen Botschaft in Kiew ergab sich für das Standesamt, dass das Kind von einer Leihmutter geboren wurde. Auf Antrag der Standesamtsaufsicht hat sodann das AmtsG das Standesamt angewiesen, den Eintrag im Geburtenregister zu berichtigen und anstelle der Ehefrau die Leihmutter als Mutter des Kindes einzutragen. Das OLG hat die Beschwerde der Ehegatten zurückgewiesen. Dagegen richtete sich deren Rechtsbeschwerde.
Ukrainisches Recht ist nicht anwendbar
Der BGH hat die Entscheidung des OLG im Ergebnis bestätigt und entschieden, dass auf die rechtliche Abstammung das deutsche Recht anzuwenden ist. Danach sei als Mutter des Kindes die Leihmutter einzutragen, weil nach § 1591 BGB Mutter eines Kindes die Frau ist, die es geboren hat. Die davon abweichende bloße Registrierung in der Ukraine sei hierfür nicht maßgeblich.
Nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB unterliege die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Sie könne im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört. Ist die Mutter verheiratet, so könne die Abstammung ferner nach dem sogenannten Ehewirkungsstatut bestimmt werden. Die aufgeführten Alternativen stünden in keinem Rangverhältnis zueinander, sondern seien einander gleichwertig. Während die beiden erstgenannten Alternativen (Aufenthaltsstatut und Heimatrecht der Eltern) grundsätzlich wandelbar seien, sei die dritte Alternative (Ehewirkungsstatut) auf einen festen Zeitpunkt, nämlich den Zeitpunkt der Geburt des Kindes, bezogen. Daraus folge, dass die Voraussetzungen der ersten beiden Alternativen bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung zu beurteilen sind.
Gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes in Deutschland
Weil die Ehegatten deutsche Staatsangehörige sind und ihren ständigen Aufenthalt in Deutschland haben, könnte sich eine Mutterschaft der Ehefrau nur aus einer Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ergeben, wenn danach das ukrainische Recht anwendbar wäre, das eine Leihmutterschaft anerkennt, so der BGH. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der gewöhnliche Aufenthalt der Schwerpunkt der Bindungen der betroffenen Person, ihr Daseinsmittelpunkt. Dieser sei aufgrund der gegebenen tatsächlichen Umstände zu beurteilen und müsse auf eine gewisse Dauer angelegt sein. Ein bloß vorübergehender Aufenthalt in einem anderen Staat begründe dort noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Bei minderjährigen Kindern, insbesondere bei Neugeborenen, sei vorwiegend auf die Bezugspersonen des Kindes, die es betreuen und versorgen, sowie deren soziales und familiäres Umfeld abzustellen.
Nach diesen Maßstäben habe das betroffene Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Es habe von vornherein der übereinstimmenden Absicht aller an der Leihmutterschaft Beteiligten entsprochen, dass das Kind alsbald nach der Geburt mit den Ehegatten nach Deutschland gelangen und dort dauerhaft bleiben sollte. Zudem sei die rechtliche Vaterstellung des Ehemanns unzweifelhaft gegeben, weil dieser sowohl nach ukrainischem als auch – aufgrund der Anerkennung – nach deutschem Recht rechtlicher Vater des Kindes ist. Aufgrund der rechtlichen Vaterschaft des Ehemanns besitze das Kind auch die deutsche Staatsangehörigkeit und halte sich somit rechtmäßig in Deutschland auf. Da das Kind zuvor in der Ukraine nur seinen einfachen, nicht aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe, hätte dort keine rechtliche Mutterschaft der Ehefrau begründet werden können, die einen Aufenthaltswechsel nach Deutschland hätte überdauern können.
Die von den Beteiligten gewünschte rechtliche Mutterschaft der Ehefrau könne daher nur durch ein Adoptionsverfahren erreicht werden.
Zum Weiterlesen:
Adoption nach ukrainischer Leihmutterschaft - OLG Frankfurt/M., Beschluss v. 28.2.2019 – 1 UF 71/18
Registrierung der ausländischen Geburtsurkunde bei Leihmutterschaft - EuGHMR gibt erste „advisory opinion“ ab
Gleichgeschlechtliche Partnerschaft und Leihmutterschaft: Kind krankenversichert? - OLG Celle, Urteil v. 28.2.2019 - U 178/18
Leihmutterschaft und ordre public - Bundesgerichtshof, Beschluss v. 5.9.2018 – XII ZB 224/17
Leihmutterschaft: Eintragung der ausländischen Geburtsurkunde - Franz. Kassationshof ersucht EuGHMR um Gutachten
Große Kammer verhandelt zur Leihmutterschaft - Pressemitteilung des EuGHMR vom 17.1.2017
Kommerzielle Leihmutterschaft verstößt gegen nationales Recht - Pressemitteilung des OLG Braunschweig
Spanischer Ethikrat fordert internationales Verbot der Leihmutterschaft - Pressemitteilung des spanischen Bioethik-Komitees vom 19. Mai 2017
Vorinstanzen:
OLG Hamm, Beschluss v. 26.9.2017 – 15 W 413/16
AmtsG Dortmund, Beschluss v. 1.8.2016 – 312 III 5/16
Quelle: Pressemitteilung Nr. 051/2019 des Bundesgerichtshofes vom 23.4.2019