Sammelung von Rechtssprechungen in Bücher im Regal

Kombireform von Ehegattensplitting und Minijob gefordert

Bertelsmann Stiftung will Frauen aus der „Zweitverdienerinnenfalle“ befreien

Eine Kombireform von Ehegattensplitting und Minijobs hätte im Vergleich zu einzelnen isolierten Reformen besonders große Beschäftigungseffekte für Frauen. Dies zeigen Berechnungen des ifo Instituts im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Die Umwandlung des jetzigen Ehegattensplittings in ein Realsplitting und der Minijobs in sozialversicherungs- und steuerpflichtige Beschäftigung könnte 124.000 Menschen in Arbeit bringen, davon 108.000 Frauen, so die Autoren der Studie. Die jeweils isolierte Einführung des Realsplittings und der Reform der Minijobs brächte dagegen weniger Frauen in Arbeit.

Mitte des Jahres veröffentlichte das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) bereits eine ähnliche Studie. Laut dieser könnte eine Abschaffung des Ehegattensplittings das Arbeitsangebot um mehr als eine halbe Millionen Vollzeitäquivalente erhöhen – würde allerdings bei manchen Bevölkerungsgruppen zu finanziellen Verlusten führen.

 

Arbeit soll sich für Zweitverdienerinnen mehr lohnen

Beim Realsplitting würden beide Eheleute separat veranlagt, allerdings dürfte ein begrenzter Betrag in Höhe von 13.805 Euro, der die Unterhaltspflichten widerspiegelt und damit verfassungskonform wäre, auf die Partnerin übertragen werden. Dadurch ließe sich die Steuerlast für die Zweitverdienerin abbauen, sodass sich die Aufnahme einer Beschäftigung oder die Erhöhung der Arbeitszeit für sie insgesamt eher lohnen würde. Gleichzeitig würde auch der Steuervorteil durch das Splitting für besonders hohe Einkommen begrenzt, von dem insbesondere Paare profitieren, bei denen eine einzige Person – in der Regel der Mann – den Großteil des Einkommens erzielt.

Zur sogenannten „Zweitverdienerinnenfalle“ trägt neben dem Ehegattensplitting auch der steuer- und abgabenfreie Minijob bei, so die Bertelsmann Stiftung. Durch sukzessiv ansteigende Sozialversicherungsabgaben könnten Minijobs in reguläre Beschäftigung umgewandelt werden: Die Abgaben würden ab dem ersten Euro fällig, allerdings mit einem anfangs sehr geringen Beitragssatz. Der volle Sozialversicherungssatz würde dagegen bei 1.800 Euro – was einer Vollzeitbeschäftigung im Niedriglohnbereich entspricht – zu Buche schlagen. Eine solche Kombireform wäre nahezu aufkommensneutral, d. h. sie würde keine zusätzlichen Kosten für den Staat verursachen. Auch die Verteilungswirkungen wären erheblich: Insgesamt würden die unteren 40 Prozent der Einkommen entlastet werden.

 

Geschlechterunterschiede auf dem Arbeitsmarkt könnten reduziert werden

Von 7,6 Millionen Ehefrauen im Alter von 25 bis 60 Jahren haben mit 6 Millionen rund drei Viertel ein geringeres Einkommen als ihr Partner und sind demnach Zweitverdienerinnen. Für sie setze das Steuer- und Sozialversicherungssystem in Deutschland derzeit falsche Anreize, so die Bertelsmann Stiftung. Sie litten darunter, dass – anders als bei einem Minijob – bei der Aufnahme einer Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung nicht nur Sozialversicherungsabgaben, sondern auch Einkommensteuer anfällt, die über dem üblichen Eingangssteuersatz in Höhe von 14 Prozent liegt. Grund dafür ist das Ehegattensplitting, das dazu führt, dass eine Zweitverdienerin demselben Steuersatz unterliegt wie der Erstverdiener.

Die Folge sei, dass sich viele Zweitverdienerinnen für einen Minijob entscheiden, der sich insbesondere in der Corona-Pandemie als besonders krisenanfällig erwiesen hat. Dies habe weitreichende Folgen für die Absicherung der Frauen – sowohl bei Arbeitslosigkeit als auch im Alter. Manuela Barišić, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung:

Es muss uns gelingen, Frauen und Mütter aus der Zweitverdienerinnenfalle zu befreien. Ein erheblicher Teil des Arbeitskräftepotenzials von Frauen wird aktuell nicht voll ausgeschöpft. Im Zuge des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels kann Deutschland sich dies nicht mehr leisten. Eine kombinierte Reform könnte auch helfen, Geschlechterunterschiede auf dem Arbeitsmarkt zu reduzieren.

 

Studie „Raus aus der Zweitverdienerinnenfalle“

In der Studie „Raus aus der Zweitverdienerinnenfalle. Reformvorschläge zum Abbau von Fehlanreizen im deutschen Steuer- und Sozialversicherungssystem“ berechnen Andreas Peichl, Maximilian Blömer und Przemyslaw Brandt vom ifo Institut im Auftrag der Bertelsmann Stiftung die volkswirtschaftlichen Effekte von Reformen, die das Ehegattensplitting sowie die Abschaffung der Mini- und Midijob-Regelungen adressieren.

Unter Verwendung eines strukturellen Arbeitsangebotsmodells simulieren sie die Effekte einer Einführung

  • der Individualbesteuerung,
  • des Realsplittings mit Übertragsbeträgen von 13.805 Euro und 9.744 Euro,
  • des vom Wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Finanzen vorgeschlagenen Ehezusatzfreibetrags.

Mit Blick auf die Abschaffung des Sonderstatus des Minijobs simulieren sie zum einen die volle Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro und zum anderen ansteigende Sozialversicherungsabgaben (Phase-in) von 0 bis 1.300 Euro und von 0 bis 1.800 Euro. Darüber hinaus berechnen sie die Effekte kombinierter Reformen des Ehegattensplittings und der Minijobs.

 

Quelle: Pressemitteilung der Bertelsmann Stiftung vom 13.10.2021

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