Sammelung von Rechtssprechungen in Bücher im Regal

Kindergeld für ein langfristig erkranktes Kind

Bundesfinanzhof, Urteil v. 15.12.2021 – III R 43/20

Eine Kindergeldgewährung wegen Berufsausbildung ist nicht möglich, wenn Ausbildungsmaßnahmen im Rahmen des fortbestehenden Ausbildungsverhältnisses wegen einer langfristigen Erkrankung des Kindes unterbleiben. In Betracht kommt dann aber eine Berücksichtigung wegen Behinderung. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 15.12.2021 (Az.: III R 43/20) entschieden.

 

Auszubildender hatte schweren Unfall

Im Streitfall hatte ein junger Erwachsener während seiner Ausbildung einen schweren Unfall mit Schädelbasisbruch und Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Nach dem Krankenhausaufenthalt durchlief er verschiedene Reha-Maßnahmen, von denen die letzte 17 Monate nach dem Unfall begann. Das Finanzgericht (FG) sprach Kindergeld für die ersten acht Monate nach dem Unfall zu, weil das Ausbildungsverhältnis fortbestanden habe und der Wille, die Ausbildung baldmöglichst fortzusetzen, in mehrfacher Hinsicht belegt sei.

Der BFH ist dem entgegengetreten und hat die Sache zu weiterer Sachaufklärung an das FG zurückverwiesen.

 

Muss geklärt werden: Vorübergehende oder andauernde Krankheitsdauer

Zur Begründung seiner Entscheidung führte der BFH an, dass sich ein Kind in einer Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dann befinde, wenn es sein Berufsziel noch nicht erreicht habe, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereite. Eine Unterbrechung der Ausbildung, z.B. wegen einer Erkrankung, sei unschädlich, wenn diese vorübergehend sei. Werde die Erkrankung aber mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauern, könne das Kind nicht mehr wegen seiner Ausbildung berücksichtigt werden.

Das FG müsse nun klären, ob die sechs Monate übersteigende Erkrankungsdauer bereits in den ersten Monaten nach dem Unfall mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet wurde. Falls zunächst eine schnellere Genesung möglich erschien, könnte der Kindergeldanspruch für diesen Zeitraum noch wegen des fortbestehenden Ausbildungsverhältnisses begründet sein. Für die Monate, in denen eine Berücksichtigung wegen Ausbildung aufgrund des dann mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten und eingetretenen langwierigen Heilungsprozesses nicht in Betracht komme, sei zu prüfen, ob das Kind behinderungsbedingt außerstande war, sich selbst zu unterhalten und deshalb nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen sei.

 

Quelle: Pressemitteilung des BFH Nr. 18/2022 vom 21.4.2022

Zurück