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Keine Rückführung eines entführten Kindes in die Ukraine

OLG Stuttgart, Beschluss v. 13.10.2022 - 17 UF 186/22

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Entscheidung v. 13.10.2022 (Az.: 17 UF 186/22) die Rückführung eines von der Mutter ohne Einverständnis des Vaters aus der Ukraine nach Deutschland verbrachten Kindes abgelehnt.

 

Mutter floh mit Tochter vor Krieg

Die gemeinsam sorgeberechtigten und jetzt getrenntlebenden Eheleute lebten bis März 2022 mit ihrer damals 1-jährigen Tochter in Odessa. Nach mehreren Fliegeralarmen, die die Eltern teilweise mit dem Kind im Auto in einer Tiefgarage verbracht hatten, begab sich die Mutter mit der Tochter ohne Zustimmung des Vaters nach Deutschland, was eine Kindesentführung im Sinne des Haager Kindesentführungsübereinkommens (HKÜ) darstellt.

Der Vater begehrte daraufhin beim Familiengericht die Rückführung seiner Tochter in die Ukraine. Die Mutter lehnt dies ab, da die Rückführung in ein Kriegsgebiet zu gefährlich sei. Das für Verfahren nach dem HKÜ international und örtlich zuständige Amtsgericht Stuttgart wies die Anträge des Vaters ab. Mit seiner Beschwerde zum OLG Stuttgart verfolgte der Vater die Rückführungs- und Herausgabeanträge weiter. Hilfsweise beantragte er, dass die Tochter in die Republik Moldau verbracht werden solle.

 

Rückführung würde Leben des Kindes in Gefahr bringen

Der Beschwerdesenat hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt und alle Anträge des Vaters zurückgewiesen: Eine Rückführung des Kindes in die Ukraine sei mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden (Art. 13 Abs. 1 b) HKÜ). Die Voraussetzungen dieser Härteklausel lägen bei einer Kindesrückführung in ein Kriegsgebiet vor. Um ein Kriegsgebiet handle es sich bei dem gesamten Staatsgebiet der Ukraine seit dem 24.2.2022, wie sowohl die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes als auch die aktuelle Medienberichterstattung zeige. Dies gelte auch für die Westukraine einschließlich des Bereichs um Odessa. Es bestehe daher eine konkrete Gefahr für das Leben des noch nicht 2 Jahre alten Kindes.

Eine Rückführung in die Republik Moldau komme ebenfalls nicht in Betracht, da nach dem Grundgedanken des HKÜ und der Rechtsprechung dazu grundsätzlich nur eine Rückführung in das Land des bisherigen Aufenthalts eines Kindes möglich sei. Ausschlaggebend dafür sei, dass in dem Staat, in den das Kind rückgeführt werden solle, umgehend eine gerichtliche (Sorgerechts-) Entscheidung über den weiteren Aufenthalt des Kindes ermöglicht werden solle. Dafür wären die Gerichte der Republik Moldau nicht international zuständig, da das Kind dort nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe.

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss des OLG ist nicht gegeben.

 

Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgarts vom 18.10.2022

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