Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes vom 19. September 2016
Der BGH hat sich mit der Frage befasst, ob ein deutscher Samenspender als Vater der mit seinem Sperma gezeugten, in einer kalifornischen Fortpflanzungsklinik in flüssigem Stickstoff eingefrorenen Embryonen festgestellt werden kann.
Vor dem Amtsgericht und dem Oberlandesgericht war der Antragsteller mit seinem auf Feststellung der Vaterschaft gerichteten Begehren nicht durchgedrungen. Seine Rechtsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof blieb ebenfalls erfolglos. Allerdings entschied der BGH am 24. August 2016 (Az XII ZB 351/15), dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach § 100 Nr. 1 FamFG gegeben ist, weil der Antragsteller, der die Feststellung seiner Vaterschaft begehrt, Deutscher ist.
Sachverhalt: in Kalifornien kryokonservierte Embryonen
Der Antragsteller lebt in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Im gemeinsamen Haushalt leben - neben einer im Jahre 2010 von einer Leihmutter in Indien geborenen Tochter - zwei im Oktober 2012 von einer Leihmutter in Kalifornien geborene Töchter. Nach Darstellung des Antragstellers wurden diese mittels seiner Spermazellen sowie Eizellen einer Spenderin in Kalifornien künstlich gezeugt, wobei parallel dazu die neun Embryonen entstanden. Er will die Embryonen nach seinen Angaben "zur Geburt führen". Dafür betreibt er neben dem vorliegenden, auf Feststellung der Vaterschaft für die Embryonen gerichteten Verfahren, unter anderem ein die elterliche Sorge für die Embryonen betreffendes Verfahren. Letzteres ist gegenwärtig in der Beschwerdeinstanz vor dem Oberlandesgericht anhängig.
Die Entscheidung des BGH
Deutsches Recht sieht Vaterschaftsfeststellung vor Geburt nicht vor
Welches nationale Recht anzuwenden ist, so der BGH, bestimmt sich in Fällen wie dem vorliegenden entsprechend Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nach der Staatsangehörigkeit des die Feststellung der Vaterschaft begehrenden Mannes. Danach sei hier nicht kalifornisches, sondern deutsches Abstammungsrecht maßgeblich. Das deutsche Recht sehe eine Vaterschaftsfeststellung vor der Geburt des Kindes jedoch nicht vor. Nach § 1592 BGB sei der Mann Vater eines Kindes, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist.
Bei einer Vaterschaft, die auf einer ehelichen Geburt beruht (§ 1592 Nr. 1 BGB), sei im Zeitpunkt der Geburt eine zusätzliche Vaterschaft weder aufgrund Anerkennung noch aufgrund gerichtlicher Feststellung möglich. Vielmehr setze eine Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 oder 3 BGB in solchen Fällen zunächst die erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft aufgrund ehelicher Geburt voraus (§ 1600 d Abs. 1 BGB). Ob das Kind ehelich geboren wird, könne aber erst im Zeitpunkt der Geburt beantwortet werden. Etwas Anderes folge auch nicht daraus, dass nach § 1594 Abs. 4 BGB die Anerkennung der Vaterschaft schon vor der Geburt des Kindes zulässig ist. Denn auch eine vorgeburtliche Anerkennung könne aus den genannten Gründen frühestens mit der Geburt Wirksamkeit entfalten.
Schutz der Embryonen auch ohne Vaterschaftsfeststellung
Ebenfalls ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller darauf, der Anspruch auf Vaterschaftsfeststellung oder jedenfalls auf die Zuerkennung eines diesem gleichwertigen Zuordnungsstatus folge unmittelbar aus der Verfassung. Dabei kann offen bleiben, so der BGH, ab welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang ein extrakorporaler Embryo grundrechtlichen Schutz genießt.
Es könne auch dahinstehen, inwieweit der Antragsteller sich darauf berufen könnte, nach deutschem Recht einen Status zu erlangen, der vermeintlich dem Schutz der im Ausland befindlichen Embryonen dienen soll. Es sei zum einen nicht ersichtlich, inwiefern die Embryonen eines Schutzes durch den Antragsteller bedürfen, den dieser nicht bereits jetzt - wenn auch auf vertraglicher Grundlage im Verhältnis zu der kalifornischen Reproduktionsklinik - sicherstellen kann. Zum anderen bedürfte es zur Gewährleistung des Schutzes für die Embryonen ohnehin nicht der Feststellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses oder eines vergleichbaren Status. Vielmehr werfe der Antragsteller insoweit Fragen der Fürsorge auf, die nach deutschem Recht nicht dem Abstammungsrecht zugeordnet seien.
Vorinstanzen:
AG Neuss - 45 F 386/13 - Beschluss vom 26. Februar 2014
OLG Düsseldorf - II-1 UF 83/14 - Beschluss vom 31. Juli 2015 (in FamRZ 2015, 1979 m. Anm. Mankowski)
Quelle: Pressemitteilung Nr. 162/2016 des Bundesgerichtshofes vom 19. September 2016