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Kein Wegfall der Erbschaftsteuerbefreiung bei unzumutbarer Selbstnutzung des Familienheims

Bundesfinanzhof, Urteil v. 1.12.2021 – II R 1/21

Zieht der überlebende Ehepartner aus dem geerbten Familienheim aus, weil ihm dessen weitere Nutzung aus gesundheitlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar ist, entfällt die ihm beim Erwerb des Hauses gewährte Erbschaftsteuerbefreiung nicht rückwirkend. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 1.12.2021 (Az.: II R 1/21) zu § 13 Abs. 1 Nr. 4b des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) entschieden. Gleiches gilt für die Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG, die erbende Kinder begünstigt (BFH, FamRZ 2022, 1315).

 

FG: Depression kein zwingender Grund für Auszug

Die Klägerin hatte mit ihrem Ehemann ein Einfamilienhaus bewohnt und wurde nach dessen Tod aufgrund Testaments Alleineigentümerin. Nach knapp zwei Jahren veräußerte sie das Haus und zog in eine Eigentumswohnung. Die Klägerin berief sich gegenüber dem Finanzamt und dem Finanzgericht darauf, sie habe wegen einer depressiven Erkrankung dieses auf ärztlichen Rat verlassen.

Ihre Krankheit habe sich nach dem Tod ihres Ehemannes gerade durch die Umgebung des ehemals gemeinsam bewohnten Hauses verschlechtert. Dies hatte keinen Erfolg: Das FG war der Ansicht, es habe keine zwingenden Gründe für den Auszug gegeben, da der Klägerin nicht die Führung eines Haushalts schlechthin unmöglich gewesen sei.

 

„Zwingender Grund“ ist auch die Unzumutbarkeit der Selbstnutzung

Der BFH hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Grundsätzlich setzt die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG voraus, dass der Erbe für zehn Jahre das geerbte Familienheim selbst nutzt, es sei denn, er ist aus „zwingenden Gründen“ daran gehindert.

„Zwingend“, so der BFH, erfasse nicht nur den Fall der Unmöglichkeit, sondern auch die Unzumutbarkeit der Selbstnutzung des Familienheims. Diese könne auch gegeben sein, wenn der Erbe durch den Verbleib im Familienheim eine erhebliche Beeinträchtigung seines Gesundheitszustands zu gewärtigen habe. Das FG hat deshalb im zweiten Rechtsgang, ggf. mit Hilfe ärztlicher Begutachtung, die geltend gemachte Erkrankung einschließlich Schwere und Verlauf zu prüfen.

 

Quelle: Pressemitteilung des BFH vom 4.8.2022

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