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Haftung wegen Lebenserhaltung durch künstliche Ernährung

BGH, Verhandlungstermin am 12.3.2019 – VI ZR 13/18

Am 12.3.2019 eröffnete der BGH die Verhandlung in Sachen Haftung wegen Lebenserhaltung durch künstliche Ernährung (Az.: VI ZR 13/18). Es klagt der Sohn eines Patienten, der vor seinem Tod im Jahr 2011 lange künstlich ernährt wurde und keine Patientenverfügung erstellt hatte. Der Kläger ist der Auffassung, dass die künstliche Ernährung zu einer sinnlosen Verlängerung des Leidens seines Vaters geführt hat.

 

Patient konnte Willen nicht mehr äußern

Der 1929 geborene Vater des Klägers litt an fortgeschrittener Demenz. Er war bewegungs- und kommunikationsunfähig. In den letzten beiden Jahren seines Lebens kamen Lungenentzündungen und eine Gallenblasenentzündung hinzu. Im Oktober 2011 verstarb er. Der Patient wurde von September 2006 bis zu seinem Tod mittels einer PEG-Magensonde künstlich ernährt. Er stand unter Betreuung eines Rechtsanwalts. Der Beklagte, ein niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin, betreute den Patienten hausärztlich. Der Patient hatte weder eine Patientenverfügung errichtet noch ließ sich sein tatsächlicher oder mutmaßlicher Wille hinsichtlich des Einsatzes lebenserhaltender Maßnahmen anderweitig feststellen.

Der Kläger macht geltend, die künstliche Ernährung habe spätestens seit Anfang 2010 nur noch zu einer sinnlosen Verlängerung des krankheitsbedingten Leidens des Patienten geführt. Der Beklagte sei deshalb verpflichtet gewesen, das Therapieziel dahingehend zu ändern, dass das Sterben des Patienten durch Beendigung der lebensverlängernden Maßnahmen zugelassen werde. Er macht aus ererbtem Recht seines Vaters einen Anspruch auf Schmerzensgeld geltend. Ferner verlangt er Ersatz für Behandlungs- und Pflegeaufwendungen.

 

OLG: Sonderernährung medizinisch zweifelhaft

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht diesem ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 € wegen Verletzung der Aufklärungspflicht zugesprochen. Der Beklagte sei aus dem Behandlungsvertrag mit dem Patienten in Verbindung mit § 1901b BGB verpflichtet gewesen, die Frage der Beendigung oder Fortsetzung der medizinisch sehr zweifelhaft gewordenen Sondenernährung mit dem Betreuer des Patienten eingehend zu erörtern. Aus Beweislastgründen sei zu unterstellen, dass sich der Betreuer bei gehöriger Aufklärung gegen eine Fortsetzung der Sondenernährung entschieden hätte. Die Lebens- und gleichzeitig Leidensverlängerung des Patienten stelle einen ersatzfähigen Schaden dar.

Beide Parteien haben Revision eingelegt. Der Beklagte begehrt Klageabweisung, der Kläger die Zuerkennung auch des materiellen Schadensersatzes.

Vorinstanzen:
LG München I – Entscheidung v. 18.1.2017 – 9 O 5246/14, FamRZ 2017, 1716 [FamRZ-digital | FamRZ bei juris]
OLG München – Entscheidung v. 21.12.2017 – 1 U 454/17, FamRZ 2018, 723 [FamRZ-digital | FamRZ bei juris]

Zum Weiterlesen:

Konkretisierung und Auslegung einer Patientenverfügung - Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.11.2018 – XII ZB 107/18

Umgang mit Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen - Hinweise und Empfehlungen der BÄK und ZEKO 2019

Der BGH zur Bindungswirkung von Patientenverfügungen - Bundesgerichtshof, Beschluss v. 8.2.2017 - XII ZB 604/ 15

BGH-Entscheidung über den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen - Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 9.8.2016

FamRZ-Buch 32: Die Patientenverfügung

 

Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 12.3.2019

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