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Geschlechtsangleichende Operationen für non-binäre Personen bislang keine Kassenleistung

Bundessozialgericht, Entscheidung v. 20.10.2023 – B 1 KR 16/22 R

Der Anspruch auf Kostenübernahme für eine geschlechtsangleichende Operation von Versicherten, die ihr Geschlecht weder als weiblich noch als männlich empfinden (non-binäres Geschlecht), setzt eine Empfehlung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss voraus. An dieser fehlt es bislang. Das hat das Bundessozialgericht heute entschieden (Az.: B 1 KR 16/22 R).

 

Krankenkasse lehnte Antrag auf Kostenübernahme ab

Die klagende Person ist als biologische Frau geboren, empfindet sich aber weder als Frau noch als Mann. Sie ließ ihren Vornamen und die Geschlechtsangabe im Geburtenregister ändern. Um nicht als Frau wahrgenommen zu werden, beantragte sie bei der beklagten Krankenkasse die Übernahme der Kosten (rund 5000 Euro) für die Entfernung der weiblichen Brust. Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab. In der Zwischenzeit wurde die Operation durchgeführt. Das Sozialgericht hat die Krankenkasse zur Kostenerstattung verurteilt, das Landessozialgericht hat die Klage abgewiesen.

 

BSG: Beurteilung der neuen Methode sei notwendig

Das Bundessozialgericht hat nun entschieden, dass körpermodifizierende Operationen bei Trans-Personen Bestandteil einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode sind. Über deren Anerkennung müsse zunächst der Gemeinsame Bundesausschuss entscheiden, bevor Versicherte die Leistung von ihrer Krankenkasse beanspruchen können. Die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum „Transsexualismus“ beruhte auf den klar abgrenzbaren Erscheinungsbildern des weiblichen und männlichen Geschlechts. Der in den aktuellen medizinischen Leitlinien wiedergegebene Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse beziehe demgegenüber die Vielfalt aller - auch non-binärer - Geschlechtsidentitäten ein. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten dritten Geschlecht.

Die Kriterien für die medizinische Notwendigkeit einer geschlechtsangleichenden Operation würden dabei nicht objektiv vorgegeben. Entscheidungen über die Notwendigkeit und die Reihenfolge der Behandlungsschritte sollten vielmehr zwischen der Trans-Person und den Behandelnden „partizipativ“ getroffen werden. Dieser methodische Ansatz weiche von anderen Behandlungsverfahren ab. Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses sei nun, zum Schutz der betroffenen Personen vor irreversiblen Fehlentscheidungen die sachgerechte Anwendung der neuen Methode sowie ihre Wirksamkeit und Qualität zu beurteilen. Für bereits begonnene Behandlungen von Transsexuellen erwägt der Senat Vertrauensschutz.

 

Quelle: Pressemitteilung Nr. 34/2023 des Bundessozialgerichts v. 20.10.2023

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