Mann gebar nach Änderung seiner Geschlechtszugehörigkeit ein Kind
Der Bundesgerichtshof hat entschieden (Beschluss vom 6. September 2017, XII ZB 660/14), dass ein Frau-zu-Mann-Transsexueller, der nach der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Änderung seiner Geschlechtszugehörigkeit ein Kind geboren hat, im Rechtssinne als Mutter des Kindes anzusehen ist.
Frau-zu-Mann-Transsexueller gebar Kind nach Geschlechtsänderung
Der Beteiligte zu 1 ist transsexuell. Er wurde im Jahr 1982 als Kind weiblichen Geschlechts geboren; ihm wurden die weiblichen Vornamen "B.D." erteilt. Im November 2008 schloss der Beteiligte zu 1 die Ehe mit einem Mann. Im Jahr 2010 wurden die Vornamen des Beteiligten zu 1 durch gerichtliche Entscheidung in die männlichen Vornamen "O.G." geändert. Im April 2011 wurde durch eine weitere gerichtliche Entscheidung festgestellt, dass der Beteiligte zu 1 als dem männlichen Geschlecht zugehörig anzusehen ist. Die Ehe des Beteiligten zu 1 wurde im Februar 2013 rechtskräftig geschieden. Im März 2013 gebar der Beteiligte zu 1 das betroffene Kind. Er hat hierzu vorgebracht, nach Zuerkennung des männlichen Geschlechts die Hormone abgesetzt zu haben und wieder fruchtbar geworden zu sein. Das Kind sei durch eine Samenspende ("Bechermethode") entstanden; mit dem Samenspender sei vereinbart worden, dass dieser nicht rechtlicher Vater des Kindes werde.
Das Standesamt hat das Amtsgericht um Entscheidung gebeten, wie die Geburt des Kindes im Geburtenregister zu beurkunden sei. Das Amtsgericht hat das Standesamt angewiesen, den Beteiligten zu 1 als "Mutter" in das Geburtenregister einzutragen, und zwar mit seinen früher geführten weiblichen Vornamen "B.D." Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Kammergericht zurückgewiesen. Mit ihren Rechtsbeschwerden möchten der Beteiligte zu 1 und das von ihm vertretene Kind erreichen, dass der Beteiligte zu 1 als "Vater" des Kindes mit seinen aktuell geführten männlichen Vornamen "O.G." in das Geburtenregister eingetragen wird.
Sicherung des biologisch festgelegten Mutter-Status
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Kammergerichts bestätigt. Zwar richteten sich die vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten ab Rechtskraft der Entscheidung, dass ein Transsexueller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, gemäß § 10 Abs. 1 TSG nach dem neuen Geschlecht, wenn durch Gesetz nichts anderes bestimmt sei. Nach § 11 Satz 1 TSG lasse eine solche Entscheidung das Rechtsverhältnis zwischen ihm und seinen Kindern allerdings unberührt. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Vorschrift des § 11 Satz 1 TSG auch für solche leiblichen Kinder eines Transsexuellen gilt, die erst nach der Entscheidung über die Änderung der elterlichen Geschlechtszugehörigkeit geboren worden sind. Durch die Regelung werde gewährleistet, dass der biologisch durch Geburt oder Zeugung festgelegte rechtliche Status als Mutter oder Vater des Kindes gesichert und einer Veränderung nicht zugänglich ist.
Die gesetzliche Regelung sei auch nicht verfassungswidrig. Insbesondere würden die Persönlichkeitsrechte des transsexuellen Elternteils nicht dadurch verletzt, dass ihm das Abstammungsrecht eine rechtliche Elternrolle zuweist, die seinem selbstempfundenen und rechtlich zugewiesenen Geschlecht nicht entspricht. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits ausgesprochen hat, ist es ein berechtigtes Anliegen des Gesetzgebers, Kinder ihren biologischen Eltern auch rechtlich so zuzuweisen, dass ihre Abstammung nicht im Widerspruch zu den biologischen Tatsachen auf zwei rechtliche Mütter oder Väter zurückgeführt wird. Eine davon abweichende Eltern-Kind-Zuordnung hätte weitreichende Folgen für die Rechtsordnung, so der BGH.
Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung wäre betroffen
Mutterschaft (§ 1591 BGB) und Vaterschaft (§ 1592 BGB) seien als rechtliche Kategorien nicht beliebig untereinander austauschbar. Sie unterschieden sich voneinander nämlich sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Begründung als auch hinsichtlich der daran anknüpfenden Rechtsfolgen - beispielsweise bezüglich des Sorgerechts unverheirateter Eltern. Die Zuordnung zum Kind könne für einen gebärenden Frau-zu-Mann-Transsexuellen systemgerecht nur auf eine Mutterschaft zurückgeführt werden, weil er das Kind geboren hat. Auch das verfassungsrechtlich geschützte Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung wäre betroffen, wenn das Abstammungsrecht und die darauf beruhenden Eintragungen in die Geburtenregister nicht zutreffend klarstellen würden, auf welche Fortpflanzungsfunktion (Geburt oder Zeugung) es die konkrete Eltern-Kind-Zuordnung zurückführt.
Dass die Eintragung als "Mutter" in das Geburtenregister darüber hinaus mit den früher geführten weiblichen Vornamen vorzunehmen ist, ergebe sich aus § 5 Abs. 3 TSG. Sowohl das Geburtenregister als auch die aus dem Geburtenregister erstellten Geburtsurkunden sollen von Hinweisen auf die Transsexualität eines Elternteils freigehalten werden. Damit verfolge der Gesetzgeber den legitimen Zweck, es den Kindern später zu ermöglichen, ihre Herkunft mit Geburtenregistereinträgen und Geburtsurkunden nachweisen zu können, deren Inhalt einem Dritten keinen Anlass zu Spekulationen über die Transsexualität seiner Eltern bietet.
Vorinstanzen:
AG Schöneberg – Beschluss vom 13. Dezember 2013 – 71 III 254/13
Kammergericht
Berlin – Beschluss vom 30. Oktober 2014 – 1 W 48/14
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes Nr. 148/2017 vom 25.9.2017