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Frankreich: Transgender-Frau zur Mutter erklärt

Zwei Mütter sind in Geburtsurkunde einzutragen

Eine Transgender-Frau, die ihre männlichen Geschlechtsmerkmale beibehalten hat, ist die rechtliche Mutter des Kindes, das sie mit ihrer Frau hat. Dies hat ein französisches Berufungsgericht in Toulouse in seinem Urteil vom 9.2.2022 entschieden.

 

Standesamt wollte Transgender-Frau nicht als Mutter eintragen

Die Klägerin lebte bis 2009 als Mann in einer heterosexuellen Ehe mit ihrer Frau, aus der 2000 und 2004 Kinder hervorgingen. 2009 erwirkte die Klägerin vor Gericht die Änderung ihres Personenstands in das weibliche Geschlecht unter Beibehaltung der männlichen Geschlechtsorgane. 2014 zeugte die Frau ein drittes Kind mit ihrer Ehefrau. Kurz vor der Geburt ließ sie dieses Kind vor einem Notar vorgeburtlich anerkennen. Nach der Geburt bat die Klägerin darum, diese Anerkennung in die Geburtsurkunde eintragen zu lassen; der Standesbeamte weigerte sich jedoch. Er erklärte, dass nur die Frau, die das Kind geboren hat, rechtlich als deren Mutter eingetragen werden könne.

Im Jahr 2015 reichte die Klägerin beim Bezirksgericht Montpellier einen Antrag auf Umschreibung der Anerkennung ein. Dieser Antrag wurde ebenfalls mit der Begründung abgelehnt, dass nur die gebärende Frau Mutter sein kann. Das Berufungsgericht von Montpellier bestätigte zwar die Ablehnung der Umschreibung der Anerkennung in der Geburtsurkunde des Kindes. Es war jedoch der Ansicht, dass es dem Wohl des Kindes entspricht, wenn seine Abstammung von beiden biologischen Elternteilen festgestellt wird. Die Frau, die das Kind nicht geboren hat, sei daher in der Geburtsurkunde als biologischer Elternteil einzutragen.

 

Abstammung im Einklang mit biologischer und soziologischer Realität des transsexuellen Elternteils

Dem Kassationsgerichtshof liegt eine Berufung des Generalstaatsanwalts des Berufungsgerichts Montpellier und der Frau, die nicht geboren hat, vor. Er stellte in dieser Sache fest, dass der Begriff des biologischen Elternteils im französischen Recht unbekannt ist. Für ein und dasselbe Kind könnten außerhalb einer Adoption nicht zwei mütterliche Abstammungen begründet werden können. Es komme daher nur eine väterliche Abstammung in Betracht. Der Kassationsgerichtshof erklärte die Entscheidung für nichtig und verwies die Sache an das Berufungsgericht Toulouse zurück.

Die Richter dieses Gerichts sind der Ansicht, dass das Mutterschaftsverhältnis zwischen der transsexuellen Frau und dem Kind gerichtlich festgestellt werden muss. Die Abstammung des Kindes sei mit der biologischen und soziologischen Realität des transsexuellen Elternteils in Einklang zu bringen. Diese Person ist seit der Geburt des Kindes im Besitz des Status der Mutter. In seiner Entscheidung ordnet das Gericht daher an, dass die Klägerin als Mutter einzutragen ist.

 

Quelle: Aktuelle Meldung der Französischen Republik: Une femme transgenre déclarée mère par la justice

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