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Familien ärmer als bislang gedacht

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Bertelsmann-Studie untersucht Einkommenssituation von deutschen Familien

Die Einkommenssituation von vielen Familien und insbesondere Alleinerziehenden ist laut Bertelsmann Stiftung schlechter als bislang gedacht. In einer Studie haben Forscher der Ruhr-Universität Bochum im Auftrag von Bertelsmann ermittelt, welche zusätzlichen Kosten durch Kinder je nach Familientyp und Einkommensniveau entstehen. Ihr Ergebnis: je geringer das Familieneinkommen, desto schwerer wiege die finanzielle Belastung durch jedes weitere Haushaltsmitglied.

 

Forscher wandten neue Methodik an

Um die Einkommenssituation von verschiedenen Familientypen vergleichen zu können, wurden bisher die zusätzlichen Ausgaben für Kinder gemäß der OECD-Skala pauschal mit sogenannten Äquivalenzgewichten geschätzt. Bezugsgröße dabei sind die Ausgaben für einen alleinlebenden Erwachsenen. Ein zusätzliches Kind unter 14 Jahren erhält ein Gewicht von 0,3, eine zusätzliche Person über 14 Jahren von 0,5.

In der Studie wurden allerdings einkommensabhängige Äquivalenzgewichte berechnet, die einen realistischeren Blick auf die Einkommenssituation von Familien ermöglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anwendung der OECD-Skala die Einkommen armer Haushalte systematisch über- und jene reicher Haushalte unterschätzt. Denn für ärmere Familien ist die finanzielle Belastung durch Kinder im Verhältnis größer als für wohlhabende Familien.

 

Kindergelderhöhungen verbesserten Einkommenssituation nicht nachhaltig

Die Untersuchung zeigt ebenfalls, dass von 1992 bis 2015 Paare mit Kindern oder Alleinerziehende im Durchschnitt finanziell stets schlechter gestellt waren als kinderlose Paare. Zudem ist die Einkommensschere zwischen wohlhabenden und armen Familien in diesem Zeitraum weiter aufgegangen. Seit den 90er Jahren ist es nur jenen Familien gelungen, ihre Einkommenssituation zu halten oder zu verbessern, die ihren Erwerbsumfang ausweiten konnten – in der Regel durch eine umfänglichere Erwerbstätigkeit von Frauen. Entscheidend hierfür war der Ausbau der Kindertagesbetreuung.

Kindergelderhöhungen hingegen haben die Einkommenssituation von Familien mit Kindern nicht nachhaltig verbessert. Diese Ergebnisse bestätigen frühere Untersuchungen, allerdings sind die Effekte – gemessen mit der neuen Methode – stärker als bislang gedacht. Darüber hinaus ergeben sich im Detail relevante Unterschiede.

 

Familien stärker von Armut betroffen als gedacht

So zeigt sich, dass die Armutsrisikoquote von Paarfamilien nach der neuen Berechnung knapp drei Prozentpunkte über den bisher ermittelten Werten liegt: nach neuer Berechnung sind

  • 13 Prozent der Paare mit einem Kind
  • 16 Prozent jener mit zwei Kindern
  • 18 Prozent solcher mit drei Kindern

Armutsgefährdet. Besonders drastisch ist die Situation für Alleinerziehende. Lag deren Armutsrisikoquote nach früheren Berechnungen bei 46 Prozent – und damit schon sehr hoch –, sind es auf Basis der neuen Methode 68 Prozent. Gerade bei Alleinerziehenden führt die Anwendung der starren, einkommensunabhängigen OECD-Skala dazu, dass die zusätzlichen Ausgaben für ein Kind im Haushalt deutlich unterschätzt werden.

Während beispielsweise ein Haushalt mit zwei Erwachsenen mit einem Schlaf- und einem Wohnzimmer auskommen kann, brauchen Alleinerziehende zusätzlich ein Kinderzimmer. Zudem fallen bei niedrigeren Einkommen die kinderspezifischen Ausgaben (etwa für Windeln, Schulsachen, neue und passende Kleidung) besonders ins Gewicht. Gleichzeitig ist es für Alleinerziehende aufgrund der aufwändigeren Betreuung und Fürsorge für die Kinder besonders schwer, ihren Erwerbsumfang zu vergrößern. Vergleichbar ist die Situation für kinderreiche Familien.

 

Armutsbekämpfung in den Mittelpunkt der Familienpolitik stellen

Politisch sollte deshalb nach Ansicht der Bertelsmann Stiftung ein größeres Gewicht auf die Bekämpfung von Armut gelegt werden. Jörg Dräger, Vorstand der Stiftung, sagte dazu: „Vor allem Alleinerziehende brauchen stärkere Unterstützung“. Zudem gelte es, die staatliche Existenzsicherung für Kinder neu aufzustellen. Dabei sollte sich der Staat konsequent an den Bedürfnissen von Kindern orientieren.

Mit einem Teilhabegeld als neue familienpolitische Maßnahme können wir das Kindergeld, die SGB II-Regelsätze für Kinder und Jugendliche, den Kinderzuschlag und den größten Teil des Bildungs- und Teilhabepakets bündeln.

Dieses neue Instrument solle gezielt arme Kinder und Jugendliche erreichen und mit steigendem Einkommen der Eltern abgeschmolzen werden. Darüber hinaus bräuchten Kinder und Eltern in ihrer Umgebung gute Bildungs- und Freizeitangebote sowie eine passgenaue, unbürokratische Unterstützung. Zudem sollten die neuen methodischen Erkenntnisse der Bertelsmann-Studie in der Armuts- und Sozialberichterstattung der Bundesregierung berücksichtigt werden, damit die bisherigen Verzerrungen aufgrund der OECD-Skala zukünftig nicht weiter auftreten.

 

Quelle: Pressemitteilung der Bertelsmann Stiftung vom 7.2.2018

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