Sammelung von Rechtssprechungen in Bücher im Regal

Eltern erhalten keinen Zugriff auf Facebook-Account der verstorbenen Tochter

Kammergericht, Pressemitteilung vom 31.05.2017

In zweiter Instanz hat nun das Kammergericht Berlin zu Gunsten von Facebook entschieden. Es wurde die Klage einer Mutter abgewiesen, die den Zugang zu dem Facebook-Account ihres verstorbenen Kindes zusammen mit dem Kindesvater aus Erbrecht durchsetzen wollte. Zugleich wurde damit das Urteil des Landgerichts Berlin abgeändert. Es stehe der Schutz des Fernmeldegeheimnisses dem Anspruch der Erben entgegen, Einsicht in die Kommunikation der Tochter mit Dritten zu erhalten.

Änderung in der Person des Vertragspartners

Das Kammergericht ließ offen, ob die Klägerin und der Kindesvater als Erben in den Vertrag eingerückt seien, den die verstorbene Tochter mit Facebook geschlossen hatte. Grundsätzlich sei es möglich, dass die Erben in die Rechte und Pflichten dieses Vertrages eingetreten seien. Dies aber nicht im Sinne der aktiven Fortführung dieses Vertrages, sondern um passive Leserechte zu erhalten. In den von Facebook gestellten Nutzungsbedingungen sei nicht geregelt, ob Rechte aus dem Vertrag im Falle des Todes des Nutzers auf seine Erben übergehen könnten. Auch der Grundgedanke des Vertrages spreche nicht generell dagegen, dass er nicht vererblich sei. Facebook wolle den Nutzern nur eine Kommunikationsplattform zur Verfügung stellen und Inhalte vermitteln. Durch eine Änderung in der Person des Vertragspartners würden die Leistungen in ihrem Charakter nicht verändert.

Abgrenzungsschwierigkeiten

Das BGB regele jedoch nicht, ob höchstpersönliche Rechtspositionen (ohne vermögensrechtliche Auswirkungen) vererbbar seien. Es setze stattdessen für eine Vererbung voraus, dass sie in irgendeiner Form im Eigentum des Verstorbenen verkörpert seien und nicht nur virtuell existierten. Um zu klären, ob es sich bei – nicht verkörperten – E-Mails um solche handele, die aufgrund ihres höchstpersönlichen Inhalts nicht vererbbar seien, oder um solche, die aufgrund ihres wirtschaftlichen Bezuges vererbbar seien, würde man in der Praxis auf erhebliche Probleme und Abgrenzungsschwierigkeiten stoßen.

Fernmeldegeheimnis steht der Vererbbarkeit entgegen

Der Senat müsse jedoch die Frage der Vererbbarkeit des Facebook-Accounts nicht entscheiden. Selbst wenn man davon ausgehe, dass dieser Account in das Erbe falle und die Erbengemeinschaft Zugang zu den Account-Inhalten erhalten müsse, stehe das Fernmeldegeheimnis nach dem Telekommunikationsgesetz entgegen. Dieses Gesetz sei zwar ursprünglich für Telefonanrufe geschaffen worden. Das Fernmeldegeheimnis werde jedoch in Art. 10 GG geschützt und sei damit eine objektive Wertentscheidung der Verfassung. Daraus ergebe sich eine Schutzpflicht des Staates und auch die privaten Diensteanbieter müssten das Fernmeldegeheimnis achten. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 16.6.2009, 2 BvR 902/06, BVErfGE 124, 43) erstrecke sich das Fernmeldegeheimnis auch auf E-Mails, die auf den Servern von einem Provider gespeichert seien. Denn der Nutzer sei schutzbedürftig, da er nicht die technische Möglichkeit habe, zu verhindern, dass die E-Mails durch den Provider weitergegeben würden. Dies gelte entsprechend für sonstige bei Facebook gespeicherte Kommunikationsinhalte, die nur für Absender und Empfänger oder jedenfalls einen beschränkten Nutzerkreis bestimmt sind.

Ausnahmen greifen hier nicht

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist das KG Berlin der Ansicht, dass die nach dem Telekommunikationsgesetz vorgesehenen Ausnahmen nicht greifen. Zwar sehe das Gesetz vor, dass einem Dritten Kenntnisse vom Inhalt der Kommunikation verschafft werden dürfe, wenn dies erforderlich sei. Als erforderlich könne jedoch nur angesehen werden, was dazu diene, den Dienst technisch zu ermöglichen oder aufrecht zu erhalten. Da Facebook jedoch seine Dienste nur beschränkt auf die Person des Nutzers angeboten habe, sei es auch aus der Sicht der ebenfalls schutzbedürftigen weiteren Beteiligten am Kommunikationsvorgang (Chat) in technischer Hinsicht nicht erforderlich, einem Erben nachträglich Zugang zum Inhalt der Kommunikation zu verschaffen. Ebenso wenig existiere eine andere gesetzliche Vorschrift, die erlaube, von dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses eine Ausnahme zu machen (sog. „kleines Zitiergebot“). Insbesondere das Erbrecht nach dem BGB lasse nicht erkennen, dass der Gesetzgeber den Willen gehabt habe, das Fernmeldegeheimnis einzuschränken. Auch aus sonstigen Gründen sei es nicht geboten, ohne gesetzliche Regelung Ausnahmen zuzulassen und von dem so genannten “kleinen Zitiergebot“ abzuweichen.

Schutz der anderen Chatpartner

Schließlich komme für das KG Berlin nicht in Betracht, von einem Verzicht auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses auszugehen, indem die klagende Mutter sich darauf berufen hatte, die Zugangsdaten von der Tochter überlassen bekommen zu haben. Dieser Umstand war zwischen den Parteien streitig. Eine Beweisaufnahme sei jedoch nicht erforderlich gewesen, da nicht nur die Verstorbene als Nutzerin des Accounts und Vertragspartnerin von Facebook, sondern zumindest auch alle diejenigen, die in einem Zwei-Personen-Verhältnis mit der Verstorbenen kommuniziert haben, auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses verzichtet haben müssten. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. insb. Urteil vom 27.2.2008, 1 BvR 370/07, BVerfGE 120,274, Rz 290 bis 293) folge für den vorliegenden Fall im Endergebnis nichts Abweichendes. Die somit erforderliche Zustimmung dieser anderen Kommunikationspartner liege jedoch nicht vor.

Anspruch außerhalb des Erbrechts

Ferner hat der Senat geprüft und verneint, ob zu Gunsten der Klägerin außerhalb des Erbrechts ein Anspruch auf Zugang zu dem Account bestehe:

  • Das Recht der elterlichen Sorge erlösche mit dem Tode des Kindes.
  • Das Totenfürsorgerecht könne nicht dazu dienen, einen Anspruch auf Zugang zu dem Social-Media-Account des verstorbenen Kindes herzuleiten.
  • Das eigene Persönlichkeitsrecht der Mutter sei auch nicht geeignet.

Als ein Teilbereich des Persönlichkeitsrechts sei z.B. anerkannt, seine eigene Abstammung zu kennen. Trotz des verständlichen Wunsches der Eltern, die Gründe für den tragischen Tod ihres Kindes näher zu erforschen, lasse sich hieraus kein Recht auf Zugang zu dem Account ableiten. Auch wenn eine verbleibende Unkenntnis darüber die Persönlichkeitsentfaltung der Eltern massiv beeinträchtigen könne, gebe es auch vielfältige andere Ereignisse, die die gleiche Wirkung zeigen könnten. Dadurch würde das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu einem konturenlosen und nicht mehr handhabbaren Grundrecht führen.

Das Urteil des Kammergerichts ist nicht rechtskräftig, da der Senat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen hat.

Die schriftlichen Urteilsgründe sind nachstehend veröffentlicht.

Landgericht Berlin, Urteil vom 17. Dezember 2015, Aktenzeichen 20 O 172/15

Kammergericht, Urteil vom 31. Mai 2017, Aktenzeichen 21 U 9/16

Ausgang des Beschwerdeverfahrens

Ferner ist auch das Beschwerdeverfahren zugunsten von Facebook ausgegangen. Das Landgericht hatte im Vollstreckungsverfahren gegen Facebook auf Antrag der Klägerin ein Zwangsgeld von 25.000,00 EUR festgesetzt (vgl. PM 5/17). Die dagegen gerichtete Beschwerde von Facebook hatte Erfolg. Das Kammergericht hob heute (31. Mai 2017) den Zwangsgeldbeschluss auf und wies den entsprechenden Antrag der Klägerin zurück. Denn da das Urteil des Landgerichts nicht mehr existiere, sei auch die Vollstreckung mittels Zwangsgeld nicht mehr zulässig.


Quelle: Pressemitteilung des Kammergerichts Berlin Nr.30/2017 vom 31. Mai 2017

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