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Ehe für Alle: Splittingtarif auch rückwirkend

Urteil des FG Hamburg v. 31.7.2018 – 1 K 92/18

Mit Urteil vom 31.7.2018 hat das FG Hamburg der Klage eines gleichgeschlechtlichen Ehepaares stattgegeben, das die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer begehrte – und zwar rückwirkend ab dem Tag der Begründung ihrer Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 (Az.: 1 K 92/18).

 

Ehepaar lebte vor Heirat bereits 16 Jahre in Lebenspartnerschaft

Die Kläger hatten nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) am 1.8.2001 im Jahr 2001 eine Lebenspartnerschaft begründet. Nach Inkrafttreten des Eheöffnungsgesetzes (EheöffnungsG) im November 2017 wandelten sie diese in eine Ehe um. Nach der gesetzlichen Regelung ist der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft nach der Umwandlung in eine Ehe für die Rechte und Pflichten der Partner maßgeblich.

Die Zusammenveranlagung nach dem Splittingtarif führt bekanntlich in vielen Fällen zu einer Verringerung der Steuerlast. Die Kläger beantragten daher die für Eheleute vorgesehene Zusammenveranlagung nachträglich für alle Jahre seit Beginn ihrer Lebenspartnerschaft, also ab 2001. Weil beide Partner bis in das Jahr 2012 bereits mit bestandskräftigen Bescheiden jeweils einzeln zur Einkommensteuer veranlagt worden waren, lehnte das Finanzamt die rückwirkende Zusammenveranlagung ab.

 

Rechtlich sind die Kläger nun seit 2001 verheiratet

Dem ist das FG Hamburg nicht gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Das EheöffnungsG bestimme in Art. 3 Abs. 2, dass nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe für die Rechte und Pflichten der Lebenspartner der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft maßgebend sei. Nach der Umwandlung seien die Lebenspartner so zu stellen, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten.

Das EheöffnungsG sei ein außersteuerliches Gesetz und damit grundsätzlich geeignet, ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung darzustellen, das eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide ab 2001 rechtfertige. Diese Rückwirkung sei direkt aus Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG herzuleiten. Die Bestandskraft sei kein derart tragendes Prinzip des Rechts, dass eine Änderung bestandskräftiger Bescheide infolge einer Gesetzesänderung in jedem Fall einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung der Rückwirkung bedürfe.

Das Gericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

 

Zum Weiterlesen:

Umwandlung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe von Erbarth in FamRZ 2018, 1221 (FamRZ-digital | FamRZ bei juris)

Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts von Schwab in FamRZ 2017, 1284 (FamRZ-digital | FamRZ bei juris)

Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine gleichgeschlechtliche Ehe, § 20a LPartG von Kaiser in FamRZ 2017, 1985 (FamRZ-digital | FamRZ bei juris)

Umsetzung des Gesetzes zur Öffnung der Ehe für alle - BMJV legt Referentenentwurf vor

 

Quelle: Pressemitteilung des FG Hamburg vom 20.8.2018

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