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BAföG trotz Nichterfüllung von Leistungsanforderungen

Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 3.3.2023 – 5 C 6.21

Studierenden, die den für weitere Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) über das 4. Fachsemester hinaus erforderlichen Nachweis über den üblichen Leistungsstand nicht erbringen, können ausnahmsweise dennoch Anspruch auf Ausbildungsförderung haben. Voraussetzung ist, dass das Nichtbestehen von Leistungsanforderungen erstmals zu einer aus studienorganisatorischen Gründen zwingenden Wiederholung von Semestern führt. Dabei kommt es auf die Anzahl der nicht erbrachten Leistungsnachweise nicht an, die Ursache für die Verlängerung des Studiums sind. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am entschieden (Az.: BVerwG 5 C 6.21).

 

Studentin konnte ihr Studium nicht plangemäß fortsetzen

Die Klägerin ist Studentin der Pharmazie. Den erforderlichen Nachweis über die Erbringung der üblichen Studienleistungen ("Scheine") bis zum Abschluss des 4. Fachsemesters konnte sie nicht vorlegen. Sie beantragte beim beklagten Studierendenwerk daher vergeblich die Fortsetzung der Förderung.

Die Klägerin erhob daraufhin Klage auf Weiterförderung im 5. und 6. Fachsemester, das das Verwaltungsgericht abwies. Eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer komme nur bei einem einmaligen Leistungsversagen in Betracht. Die Klägerin habe jedoch in den ersten beiden Semestern zwei Leistungsnachweise nicht erbracht, die für die Teilnahme an Veranstaltungen in den beiden Folgesemestern erforderlich waren und sie an der Erbringung weiterer Leistungsnachweise hinderten.

 

Auf die Anzahl nichtbestandener Leistungsnachweise kommt es nicht an

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision zum BVerwG, mit der die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt, hatte Erfolg. Zwar sei die Weitergewährung von Ausbildungsförderung grundsätzlich ausgeschlossen, wenn Studierende eine Zwischenprüfung nicht bestehen oder - wie hier - die bis zum 4. Fachsemester üblichen Leistungen (§ 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BAföG) nicht erbringen. Das BVerwG führt aber weiter aus, dass die die Frist zur Vorlage der Leistungsnachweise ausnahmsweise zu verlängern und weiter Ausbildungsförderung zu gewähren ist, wenn voraussichtlich eine Überschreitung der Förderungshöchstdauer zu bewilligen sein wird (§ 48 Abs. 2, § 15 Abs. 3 BAföG). Dies sei nach dem Gesetz jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein schwerwiegender Grund für die Überschreitung vorliegt (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG).

Ein solcher Grund sei schon von der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG insbesondere dann angenommen worden, wenn Studierende erstmals eine Zwischenprüfung nicht bestehen und deshalb an der planmäßigen Fortsetzung des Studiums gehindert sind. Sie sollen im Falle des Nichtbestehens der bis zum 4. Fachsemester erforderlichen Leistungsanforderungen, das zu einer erstmaligen Verzögerung des Studiums führt, eine zweite Chance erhalten, den Leistungsrückstand in angemessener Zeit durch Ablegung der entsprechenden Prüfungen aufzuholen. Diese gesetzliche Wertung greift auch dann, wenn die Nichterbringung sonstiger Leistungsnachweise dazu führt, dass eine planmäßige Fortsetzung des Studiums in einem höheren Semester nicht möglich ist, weil zunächst nicht bestandene Studienleistungen wiederholt werden müssen.

Dabei kommt es entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht darauf an, ob nur ein Leistungsversagen für die Verzögerung ursächlich ist oder ob mehrere nicht bestandene Leistungsnachweise im Zusammenwirken diese Folge auslösen. Entscheidend ist allein, ob es Studierenden aus studienorganisatorischen Gründen erstmalig objektiv unmöglich ist, die fehlenden Leistungen ohne eine sich auf die Förderungshöchstdauer auswirkende Verzögerung des Studiums zu erbringen. Dies ist hier der Fall gewesen, was zu einer Verlängerung des Grundstudiums der Klägerin um zwei Semester führt, für die Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren war.

 

Quelle: Pressemitteilung Nr. 17/2023 vom 3.3.2023

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