Sammelung von Rechtssprechungen in Bücher im Regal

Auslandsadoption: Nicht ohne den Vater

Oberlandesgericht Frankfurt/M., Beschluss v. 24.9.2019 – 1 UF 93/18

Eine ausländische Adoptionsentscheidung ohne persönliche Anhörung eines der beiden Adoptionsbewerber verstößt gegen den ordre public international. Sie ist in Deutschland nicht anzuerkennen. Das Anerkennungsverfahren kann diese Verfahrensmängel auch nicht heilen. Dies hat das OLG Frankfurt/M. am 24.9.2019 entschieden.

 

Adoptivvater war nicht dabei

Die Antragsteller sind verheiratet und wohnen in Frankfurt/M.. Die Antragstellerin hat während eines Aufenthalts in einem westafrikanischen Staat ein Kind kurz nach der Geburt aufgenommen. Der biologische Vater des Kindes hatte der Sorgerechtsübertragung zugestimmt und angegeben, dass die biologische Mutter verstorben war. Zudem hatte er sich mit der Ausreise des Kindes und einer Adoption durch die Antragsteller einverstanden erklärt. Die Antragstellerin, das Kind und dessen Vater nahmen an einem Anhörungstermin vor dem High Court teil. Der Antragsteller war nicht persönlich anwesend. Im Anschluss an den Termin sprach das Gericht aus, dass das Kind von den Antragstellern als Kind angenommen wird. Nun möchten die Antragsteller diese Entscheidung des High Court des westafrikanischen Staats in Deutschland anerkennen lassen.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, da die Anerkennung gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts verstoßen würde.

 

Das Kindeswohl zählt

Die Beschwerden der Antragsteller hatten auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung des High Court könne nicht in Deutschland anerkannt werden, da sie mit dem ordre public international unvereinbar sei, stellt das OLG fest. Das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts stehe im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelung und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheine.

Da das Recht der Entscheidungsanerkennung der Wahrung des internationalen Entscheidungseinklangs und der Vermeidung sog. hinkender Rechtsverhältnisse diene, sei die Versagung einer Anerkennung grundsätzlich auf Ausnahmefälle zu beschränken. Von grundlegender Bedeutung im Rahmen des materiellen ordre public sei nach deutschem Adoptionsrecht aber die Ausrichtung der Adoptionsentscheidung am Wohl des angenommenen Kindes. Die Prüfung beziehe sich dabei sowohl auf die materiellen Voraussetzungen als auch auf die Einhaltung der Verfahrensgrundsätze.

 

Fachliche Begutachtung beider Adoptionsbewerber nötig

Hier lägen Abweichungen von den Grundsätzen des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Umfang vor, dass nicht mehr von einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ausgegangen werden könne. Eine den Grundsätzen des deutschen Verfahrensrechts genügende Kindeswohlprüfung im Herkunftsland setze voraus,

dass der Entscheidung eine fachliche Begutachtung der Adoptionsbewerber vorausgegangen ist, die deren Lebensumstände annähernd vollständig erfassen muss und deshalb in der Regel nur durch eine ausländische Fachstelle geleistet werden kann.

Sei „eine Elterneignungsprüfung überhaupt nicht oder nur noch rein formalen Kriterien vorgenommen worden“, könne diese Adoptionsentscheidung nicht anerkannt werden. So liege es hier.

Der Antragsteller sei vor dem High Court nicht persönlich angehört worden. Eine hinreichende und umfassende Eignungsprüfung könne sich nicht nur auf äußerliche Aspekte wie finanzielle Sicherheit, fehlende Vorstrafen und Gesundheit beschränken. Maßgeblich seien vielmehr auch „Erziehungsfähigkeit, Integrationswilligkeit und -fähigkeit, Fördermöglichkeit, das soziale Umfeld sowie andere Aspekte des persönlichen Verhältnisses zum nicht eigenen Kind“, erläutert das OLG. Erkenntnisse hierzu fehlten.

 

Anerkennungsverfahren heilt Verfahrensmängel nicht

Da das Anerkennungsverfahren nicht an die Stelle des Adoptionsverfahrens trete, könnten die aufgezeigten Verfahrensmängel nicht im Anerkennungsverfahren behoben werden. Das Anerkennungsverfahren beschränke sich auf die inhaltliche Prüfung von Anerkennungshindernissen nach § 109 FamFG. Zudem sei „zu bedenken, dass es im Interesse aller potentiell betroffener Kinder liegt, das internationale Adoptionen in einem rechtsstaatlichen und kindeswohlorientierten Verfahren erfolgen“, betont das OLG. Erforderlich sei demnach die Wiederholung des Adoptionsverfahrens bzw. die Durchführung der Adoption in Deutschland - trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen. Die Frage, ob eine unvollständige Kindeswohlprüfung im ausländischen Adoptionsverfahren innerhalb des Anerkennungsverfahrens nachgeholt werden könne, erfordere eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

 

Quelle: Pressemitteilung Nr. 64/2019 des OLG Frankfurt/M. v. 24.9.2019

Zurück