Öffentliche Anhörung des Familienausschusses zum Neunten Familienbericht
Zeit, Geld und Infrastruktur sind die entscheidenden Stellschrauben für eine erfolgreiche Familienpolitik. Dies war der einhellige Tenor in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag über den Neunten Familienbericht. Gehört wurden:
- Sabine Walper, Forschungsdirektorin beim Deutschen Jugendinstitut und Vorsitzende der Sachverständigenkommission des Neunten Familienberichts
- Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes
- Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft
- Oliver Schmitz von der Beruf und Familie Service GmbH
- Insa Schöningh von der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Familie
- Lisa Sommer vom Zukunftsforum Familie
- Regina Offer von der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände
Sozialer Spaltung durch Ausbau von Ganztagsangeboten begegnen
Sabine Walper führte aus, dass Familienpolitik als Querschnittsaufgabe aller Ressorts in Bund, Ländern und Kommunen verstanden werden müsse. Sie verwies auf die gravierenden Folgen der Corona-Pandemie auf die Familien. Der sich abzeichnenden verstärkten sozialen Spaltung müsse durch den Ausbau der Bildungsinfrastruktur, vor allem von Ganztagsangeboten, begegnet werden. Auch Axel Plünnecke plädierte für eine solche Weiterentwicklung der Betreuungsmöglichkeiten.
Walper sprach sich weiterhin für
- die Förderung der Zusammenarbeit von Schulen und Eltern durch ein Bundesprogramm,
- eine Ausweitung des Programms „Elternchancen“ auf den Grundschulbereich,
- die Etablierung von Elternzentren an allen Schulen,
- den Ausbau digitaler Angebote
aus. Heinz Hilgers wies darauf hin, dass in vielen Fällen gegen Kinderarmut auch keine „harte Arbeit“ der Eltern helfe. Ein Stundenlohn von zehn Euro reiche vielleicht für einen Single zum Leben, bei einem Kind werde aber bereits ein Stundenlohn von mindestens 13 Euro und beim zweiten Kind von mindestens 16 Euro benötigt. Der Kinderschutzbund plädiert für einen Umbau der existierenden monetären Leistungen für Kinder zu einer Kindergrundsicherung. Dazu gehöre
- die Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums,
- die Bündelung von Leistungen,
- eine sozial gerechte Ausgestaltung,
- die automatische Auszahlung.
Partnerschaftlichkeit bei der Elternzeit stärker berücksichtigen
Oliver Schmitz sprach sich für eine Flexibilisierung von Arbeitszeiten aus. In Deutschland müsse man weg von der Präsenzkultur zu einer familienorientierten Unternehmenskultur. Er räumte zugleich aber ein, dass diese Flexibilität ein schwer zu regelnder Bereich sei. Es werde Zeit erfordern, damit sich eine Kultur in allen Unternehmen entwickeln könne. Insa Schöningh und Lisa Sommer monierten, dass der Familienbericht dem Thema Zeit für Familien zu wenig Raum eingeräumt habe, es fehle an neuen Impulsen.
Übereinstimmend plädierten die Sachverständigen für eine Weiterentwicklung von Elternzeit und Elterngeld. Vor allem müsse der Aspekt der Partnerschaftlichkeit bei der Elternzeit stärker berücksichtigt werden. Regina Offer betonte, dass sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bereits deutlich verbessert habe. So sei die Erwerbsquote bei Frauen auf 73 Prozent gestiegen. Die Kommunen würden derzeit rund 37 Millionen Euro jährlich für die Kindertagesbetreuung aufbringen.
Quelle: Heute im Bundestag (hib) Nr. 660/2021 v. 18.5.2021