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Anordnung des Wechselmodells möglich

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Pressemitteilung des BGH vom 27. Februar 2017

Der XII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass und unter welchen Voraussetzungen das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils gegen den Willen des anderen Elternteils ein paritätisches Wechselmodell als Umgangsregelung anordnen darf.

Verfahren ohne Erfolg bei den Vorinstanzen

Die Beteiligten des Verfahrens sind geschiedene Eltern eines 2003 geborenen Kindes. Sie sind gemeinsam sorgeberechtigt. Bislang hält sich das Kind bei der Mutter auf. 2012 wurde von den Eltern eine Umgangsregelung getroffen, nach welcher das Kind alle 14 Tage am Wochenende den Vater besucht. Der Vater strebt im vorliegenden Fall die Anordnung einer Umgangsregelung in Form eines paritätischen Wechselmodells an. Sowohl vor dem Amtsgericht als auch vor dem Oberlandesgericht blieb die Beschwerde des Vaters ohne Erfolg.

Residenz- oder Wechselmodell

Der BGH hat auf die eingelegte Rechtsbeschwerde des Vaters den Beschluss des Oberlandesgerichtes aufgehoben und die Sache an dieses zurückgewiesen. Zur Begründung führt der BGH eine Auslegung des §1684 BGB an. Er sieht in dem Gesetz keine Beschränkung des Umgangsrechts dahingehend, dass vom Gericht angeordnete Umgangskontakte nicht auch zu hälftigen Betreuungsanteilen der Eltern führen dürfen. Der Gesetzeswortlaut erfasst vielmehr auch die hälftige Aufteilung der Umgangszeiten auf die Eltern.

Zwar orientiert sich die gesetzliche Regelung am sog. Residenzmodell, dies besagt aber nur, dass der Gesetzgeber die praktisch häufigste Gestaltung als tatsächlichen Ausgangspunkt der Regelung gewählt hat. Damit wollte er nicht das Residenzmodell als gesetzliches Leitbild festlegen, welches andere Betreuungsmodelle ausschließt. Beim Bestehen eines gemeinsamen Sorgerechts der Eltern, spricht ein Streit über den Lebensmittelpunkt des Kindes nicht gegen die Anordnung des Wechselmodells im Wege einer Umgangsregelung. Der BGH sieht eine zum paritätischen Wechselmodell führende Umgangsregelung vielmehr im Einklang mit dem gemeinsamen Sorgerecht.

Lesen Sie dazu auch „Das Wechselmodell im Deutschen Familienrecht“ (FamRZ 2014,1157, DFGT) sowie „Die gerichtliche Anordnung des Wechselmodells“(FamRZ 2015, 1433, Hammer).

Kindeswohl im Vordergrund

Neben den beiderseitigen Elternrechten ist der entscheidende Maßstab der Anordnung eines Umgangsrechts das Kindeswohl. Dies ist vom Gericht nach Lage des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen. Nach der BGH Entscheidung ist das Wechselmodell anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht. Zu beachten ist dabei, dass das Wechselmodell gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und besonders an das Kind stellt. Es hat sich bei doppelter Residenz auf das Pendeln zwischen zwei Haushalten und auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umzustellen. Zudem setzt das paritätische Wechselmodell eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus. Es ist nicht Sinn und Zweck der Anordnung des Wechselmodells, diese Voraussetzungen erst herbeizuführen.

Lesen Sie hierzu auch „Die Diskussion um die Einführung des Wechselmodells als Regelfall der Kindesbetreuung getrennt lebender Eltern aus der Sicht der Psychologie“ ( FamRZ 2015, 2018, Salzgeber).

Wille des Kindes

Schlussendlich ist auch der vom Kind geäußerte Wille ein wesentlicher Aspekt, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen ist. Das Familiengericht ist im Umgangsrechtsverfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl am besten entspricht. Dies erfordert grundsätzlich auch die persönliche Anhörung des Kindes. Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht eine persönliche Anhörung des Kindes nicht durchgeführt. Es war zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine auf ein Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung nach der gesetzlichen Regelung nicht möglich sei. Daher ist das Verfahren zur Nachholung der Kindesanhörung und zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden.

Vorinstanzen:

OLG Nürnberg - Beschluss vom 8. Dezember 2015 - 11 UF 1257/15

AG Schwabach - Beschluss vom 10. September 2015 - 1 F 280/15

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr.025/2017 vom 27.02.2017

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