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Österreich: inkonsistente Umsetzung des Adelsaufhebungsgesetzes im Namensrecht

EuGHMR, Urteil v. 17.1.2023 – Rs. Künsberg Sarre . / . Österreich - 19475/20, 20149/20, 20153/20 et al. Abschnitt IV

Der EuGHMR hat entschieden, dass das Verbot des Adelsprädikats "von" in Familiennamen auf der Grundlage des österreichischen Adelsaufhebungsgesetzes von 1919 unrechtmäßig ist. Der Gebrauch der Namen sei lange Zeit akzeptiert worden und es läge eine inkonsistente Anwendung der zugrundeliegenden nationalen Rechtsvorschriften durch die zuständigen Behörden vor.

 

Nur ein Teil der Familie musste Nachnamen ändern

Die vier Antragsteller sind alle miteinander verwandt. Drei von ihnen tragen ihren Familiennamen "von Künsberg Sarre" seit ihrer Geburt (1975, 2001 und 1969). Ein Antragsteller nahm den Familiennamen durch Heirat im Jahr 2000 an. Im Jahr 2017 wies das österreichische Generalkonsulat in Deutschland einen Antrag eines der damals noch minderjährigen Antragsteller auf Ausstellung eines Personalausweises mit dem eingetragenen Familiennamen "von Künsberg Sarre" mit Verweis auf das Adelsaufhebungsgesetz von 1919 zurück. Dieses zielt darauf ab, Geburtsprivilegien durch Familiennamen, die historisch mit dem Adel verbunden sind, aufzuheben.

Im Jahr 2018 entschieden die österreichischen Behörden, den Familiennamen der übrigen drei Antragsteller unter Anwendung des Adelsabschaffungsgesetzes von "von Künsberg Sarre" in "Künsberg Sarre" zu ändern. Die Beschwerden der Antragsteller gegen diese Entscheidungen wurden von den inländischen Gerichten zurückgewiesen. Die anderen in Österreich lebenden Verwandten der Antragsteller führen weiterhin den Familiennamen "von Künsberg Sarre". Nach Angaben der Antragsteller gehörten sie nie dem Adel an.

Die plötzliche Änderung der Verwaltungspraxis war durch die Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichtshofes veranlasst worden, welche sich am EuGH-Urteil vom 22.12.2010 in der Rechtssache Sayn-Wittgenstein (FamRZ 2011, 148 {FamRZ-digital | FamRZ bei juris}) orientierte.

 

Gerichte nannten keine relevanten Gründe für Namensänderung

Der Gerichtshof entschied, dass die Rechtsprechung der österreichischen Gerichte einen Verstoß gegen Artikel 8 EMRK darstellt. Der EuGHMR erkannte in seiner Entscheidung zwar an, dass der Eingriff in das Recht der Kläger auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens das legitime Ziel des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer verfolge. Er monierte aber, dass die Gerichte nicht dargelegt hätten, warum das Verbot der Verwendung dieses Nachnamens beitrage, die demokratische Gleichheit und die öffentliche Sicherheit zu wahren. Über einen langen Zeitraum sei dieses Verbot schließlich nicht für notwendig erachtet worden: Einige der Antragsteller trugen ihren ursprünglichen Namen den Großteil ihres Erwachsenenlebens. Es sei unbestreitbar, dass die Kläger sich persönlich mit diesem Nachnamen identifizierten.

Obwohl die Staaten bei der Regelung von Namen einen weiten Ermessensspielraum hätten, könnten sie dessen Bedeutung für das Leben von Privatpersonen nicht außer Acht lassen: Namen seien zentrale Elemente der Selbstidentifikation und Selbstdefinition. Das Recht, einen Namen zu tragen oder zu ändern einzuschränken, ohne gerechtfertigte und relevante Gründe zu nennen, sei nicht mit Artikel 8 der Konvention vereinbar.

Der Gerichtshof betonte auch, dass das Urteil in der Rs. Sayn-Wittgenstein (FamRZ 2011, 148 {FamRZ-digital | FamRZ bei juris}) im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei. Er stelle mit Besorgnis fest, dass nach Angaben der Kläger nicht alle Familienmitglieder nun denselben Nachnamen trugen, wodurch ihre gemeinsame Selbstidentifikation mit diesem gefährdet sei. Dies sei ein weiterer Hinweis auf eine inkonsistente Anwendung der zugrundeliegenden nationalen Rechtsvorschriften durch die zuständigen Behörden.

Die Entscheidung des EuGHMR erscheint demnächst mit einer Anmerkung von Jan Ole Flindt in der FamRZ. Sie wollen das nicht verpassen? Abonnieren Sie den FamRZ-Newsletter.

 

Quelle: Juristische Zusammenfassung des EuGHMR aus dem Januar 2023

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