Einschränkung auf medizinisch unterstützte Fortpflanzung verfassungswidrig
Die Elternschaft einer Frau, die mit der Mutter eines Kindes zum Zeitpunkt der Geburt in Ehe oder eingetragener Partnerschaft lebt, darf nicht davon abhängen, dass das Kind durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung gezeugt worden ist. Diese derzeit geltende Verknüpfung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen das Recht auf Familienleben. Dies hat der Verfassungsgerichtshof Österreich entschieden und damit die entsprechenden Bestimmungen des ABGB als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31.12.2023 in Kraft.
Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung
Bei verschiedengeschlechtlichen Paaren, die in Ehe oder eingetragener Partnerschaft leben, begründet jede Form der Fortpflanzung die Vaterschaft des Ehemannes oder eingetragenen Partners, so der VfGH. Für die Elternschaft des Mannes komme es also nicht darauf an, ob das Kind natürlich oder artifiziell gezeugt worden ist. Im Gegensatz dazu gelte gemäß § 144 Abs. 2 Z 1 ABGB bei Verbindungen zweier Frauen in Form der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft die Partnerin der Mutter nur unter der Voraussetzung einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung als „anderer Elternteil“.
Diese Unterscheidung stelle allein auf die sexuelle Orientierung der Betroffenen ab. Nach der Rechtsprechung sowohl des EGMR als auch des VfGH müssten besonders schwerwiegende Gründe vorliegen, um eine nach dem Geschlecht und der sexuellen Orientierung differenzierende Regelung nicht als verbotene Diskriminierung erscheinen zu lassen. Eine entsprechende Rechtfertigung ist aber, so der VfGH, nicht erkennbar.
Im Fall der Geburt eines Kindes während aufrechter Ehe oder eingetragener Partnerschaft zweier Frauen bedarf es Regelungen, welche die soziale Familie und die Interessen des Kindes schützen. Entsprechende Regelungen bestehen derzeit nur für den Fall, dass das Kind durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung gezeugt worden ist. Der Gesetzgeber ist daher gehalten, bis 1.1.2024 Regelungen zu schaffen, die auch andere Fortpflanzungsmethoden, etwa die sogenannte Heiminsemination, berücksichtigen.
Quelle: Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshofes Österreich vom 5.8.2022