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Kindeswohlgefährdungen 2022: 4 % mehr Fälle als 2021

Mitteilung des Statistischen Bundesamts v. 2.8.2023

Nach einem leichten Rückgang im Corona-Jahr 2021 hat die Zahl der Kindeswohlgefährdungen in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht: Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, haben die Jugendämter im Jahr 2022 bei fast 62.300 Kindern oder Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt festgestellt. Das waren rund 2.300 Fälle oder 4 % mehr als im Jahr zuvor. In weiteren 68.900 Fällen lag 2022 nach Einschätzung der Behörden zwar keine Kindeswohlgefährdung, aber ein erzieherischer Hilfebedarf vor (+2 %). Geprüft hatten die Jugendämter im Vorfeld insgesamt 203.700 Hinweismeldungen, bei denen der Verdacht auf eine mögliche Gefährdung von Kindern oder Jugendlichen im Raum stand (+3 %).

Auch langfristig hat sich die Zahl der Kindeswohlgefährdungen erhöht: In den Jahren von 2012 bis 2022 betrug der Anstieg rund 24.000 Fälle beziehungsweise 63 %. Dabei nahmen die Fallzahlen von 2017 bis einschließlich dem ersten Corona-Jahr 2020 besonders kräftig zu -und zwar jährlich um 9 % bis 10 %. Im zweiten Corona-Jahr 2021 sanken sie dann leicht (‑1 %), um im Jahr 2022 mit 4 % wieder moderat zu wachsen.

 

10 % mehr akute Kindeswohlgefährdungen

Fachleute hatten im Zuge der Pandemie davor gewarnt, dass ein Teil der Kinderschutzfälle durch die Kontaktbeschränkungen unerkannt bleiben oder erst mit Verzögerung nach Ende der Pandemie auffallen könnte. Auch wenn die neuen Ergebnisse zunächst eher nicht auf einen solchen allgemeinen Nachholeffekt hindeuten, gibt es doch Auffälligkeiten: So gingen zwar die latenten Fälle – also jene, bei denen eine gegenwärtig vorliegende Gefahr nicht eindeutig bestätigt werden konnte, aber ein ernster Verdacht verblieb – im Jahr 2022 auf 28.900 zurück (‑2 %). Gleichzeitig sind aber insbesondere die akuten (eindeutigen) Fälle von Kindeswohlgefährdung mit 10 % vergleichsweise stark auf 33.400 Fälle gestiegen.

Etwa vier von fünf (79 %) aller 62.300 von einer Kindeswohlgefährdung betroffenen Kinder waren jünger als 14 Jahre, etwa jedes zweite sogar jünger als 8 Jahre (47 %). Während Jungen bis zum Alter von 11 Jahren etwas häufiger von einer Kindeswohlgefährdung betroffen waren, traf dies ab dem 12. Lebensjahr auf die Mädchen zu. Die meisten Minderjährigen wuchsen bei alleinerziehenden Müttern oder Vätern (42 %) oder bei beiden Eltern gemeinsam (38 %) auf, 10 % bei einem Elternteil in neuer Partnerschaft und weitere 9 % in einem Heim, bei Verwanden oder in einer anderen Konstellation. Knapp die Hälfte der betroffenen Jungen und Mädchen (47 %) nahm zum Zeitpunkt der Gefährdungseinschätzung bereits eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch, stand also schon in Kontakt zum Hilfesystem.

 

Hinweise von Polizei und Justiz in zehn Jahren mehr als verdreifacht

In den Fällen von Kindeswohlgefährdung hatten die Behörden Hinweise auf

  • Vernachlässigung in 59 %
  • psychischen Misshandlungen in 35 %
  • körperliche Misshandlungen in 27 %
  • für sexuelle Gewalt in 5 %

der Fälle gefunden. Den Jugendämtern zufolge gab es darunter auch Fälle, bei denen die Betroffenen mehrere dieser Gefährdungsarten gleichzeitig erlebt hatten. 2022 traf dies auf 22 % aller Fälle von Kindeswohlgefährdung zu. Dieser Anteil ist seit 2015 kontinuierlich gewachsen, damals hatte er noch bei 16 % gelegen.

Von den rund 203.700 Gefährdungseinschätzungen wurden im Jahr 2022

  • 30 % von der Polizei oder den Justizbehörden,
  • 23 % von der Bevölkerung – also von Verwandten, Bekannten, Nachbarn oder anonym –,
  • 13 % von Einrichtungen und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe, Erziehungshilfe u. 11 % von Schulen 11 %,
  • 2 % von betroffenen Minderjährigen (2 %)
  • 7 % von Eltern der betroffenen Minderjährigen

gemeldet. Vergleichsweise stabil geblieben ist auch in Zeiten der Pandemie offensichtlich das Meldeverhalten von Polizei und Justizbehörden. 61.300 Gefährdungseinschätzungen wurden 2022 von Polizei und Justiz angeregt – gut dreimal so viele wie im Jahr 2012 (+234 %). Zum Vergleich: Im Durchschnitt hatte sich die Zahl der Gefährdungseinschätzungen im Zehnjahresvergleich in etwa verdoppelt (+91 %).

 

Quelle: Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts v. 2.8.2023

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