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Sachverständige mahnen große Reform des Namensrechts an

Öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss am 11.12.2023

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts war Gegenstand einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss am Montag, 11.12.2023. Die eingeladenen neun Expertinnen und Experten unterstützten einzelne Aspekte des Vorhabens, mahnten aber gleichzeitig eine grundsätzliche Reform an. Folgende Sachverständige wurden gehört:

  • Christiane von Bary, juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München (Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion)
  • Anatol Dutta, Ludwig-Maximilians-Universität München (Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)
  • Tobias Helms, Philipps-Universität Marburg (Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion)
  • Matthias Hettich, Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Vorschlag der SPD-Fraktion)
  • Saskia Lettmaier von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Vorschlag der SPD-Fraktion)
  • Katharina Lugani von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Vorschlag der FDP-Fraktion)
  • Gösta Nissen, Leiter des Minderheitensekretariates der vier autochthonen nationalen Minderheiten und Volksgruppen Deutschlands (Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)
  • Alexander Sixt, Stellvertretender Leiter des Standesamts Nürnberg (Vorschlag der SPD-Fraktion)
  • Volker Weber, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten (Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion)

 

Liberale Gestaltungsoptionen nur punktuell eröffnet

Christiane von Bary erklärte in ihrer Stellungnahme, dass im deutschen Namensrecht ein kohärentes System kaum noch erkennbar und der Reformbedarf hoch sei. Der vorliegende Gesetzentwurf setze allerdings den bisherigen Weg fort und führe dazu, dass die Komplexität weiter steigt. Viele der durch den Entwurf adressierten Einzelfälle seien tatsächlich reformbedürftig und daher grundsätzlich zu befürworten. Allerdings wäre eine grundlegende Reform erforderlich, wie sie eine Arbeitsgruppe 2020 im Auftrag von Justiz- und Innenministerien vorgeschlagen habe.

Ähnlich argumentierte Tobias Helms in seiner Stellungnahme: Es würden die namensrechtlichen Anliegen, die der Gesetzgeber aufgreife, in jeweils strikt getrennten komplizierten Einzeltatbeständen normiert, die noch nicht ausreichend aufeinander abgestimmt seien. Auch frage er sich, warum es für andere namensrechtliche Gestaltungswünsche bei den restriktiven Regelungen des Namensänderungsgesetzes bleiben solle. Es sei nicht stimmig, im Bundesgesetzbuch liberale bis sehr liberale Gestaltungsoptionen punktuell zu eröffnen und gleichzeitig an der restriktiven Regelung des Namensänderungsgesetzes festzuhalten.

Für alle diejenigen, die gehofft hatten, dass der Gesetzgeber das Namensrecht endlich vereinfacht und liberalisiert, sei der Entwurf eine herbe Enttäuschung und Anlass für eine gewisse Frustration, sagte auch Anatol Dutta mit Blick auf die Mitglieder der Arbeitsgruppe, die 2020 das Eckpunktepapier für die Bundesregierung ausgearbeitet hätten. Diese hätten die Freiheit des Namensträgers in den Mittelpunkt gerückt. Diese Ideen greife der Entwurf nicht einmal ansatzweise auf, sondern füge dem bisherigen komplexen System weitere Komponenten hinzu, die für deutlich mehr Komplexität sorgten. Mit dem Entwurf baue das deutsche Namensrecht, was Umfang und Komplexität anbelange, „auch international seinen traurigen, unangefochtenen Spitzenplatz weiter aus“, so Dutta.

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Das deutsche Namensrecht

Folge 2 des FamRZ-Podcasts "familiensachen"

Wir reden mit Namensrechts-Experten Anatol Dutta über Geschichte und Status Quo des Namensrechts, über seinen präferierten Standort für namensrechtliche Regelungen, Funktionen des Namensrechts, (echte) Doppelnamen, das Vornamensrecht und darüber, was sich seiner Meinung nach im Namensrecht ändern muss.

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Verhältnis zwischen zivilrechtlichem und öffentlich-rechtlichem Namensrecht ist „windschief“

Volker Weber wünschte sich für die Standesbeamtinnen und Standesbeamten, aber vor allem auch für die Bürgerinnen und Bürger eine klare und verständliche Gesetzesgrundlage der im Koalitionsvertrag festgelegten Liberalisierung des Namensrechts. Der Bundesverband befürworte eine grundlegende Reform des Namensrechts, die die Trennung der Zuständigkeiten beim Standesamt und den öffentlich-rechtlichen Namensänderungsbehörden aufgibt.

Alexander Sixt betonte ebenfalls, dass dem Entwurf noch immer der Grundsatz der Namenskontinuität zugrunde liege. Man müsse sich fragen, welche Berechtigung dieser Grundsatz überhaupt noch habe. Es würden mit dem Entwurf einige sehr offenkundige Probleme angegangen, die Konstruktion des deutschen Namensrechts werde aber beibehalten. Auch Sixt fand, dass der Entwurf klar hinter den Empfehlungen der Arbeitsgruppe zum Namensrecht zurückbleibe.

Das größte Versäumnis des Entwurfs sei, so Matthias Hettich, das öffentlich-rechtliche Namensrecht nicht zu reformieren. Durch dieses Unterlassen entstehe ein „windschiefes“ Verhältnis zwischen zivilrechtlichem und öffentlich-rechtlichem Namensrecht, das dringend der Korrektur bedürfe.

 

Viel Licht, aber auch einige Schatten

Gösta Nissen sieht die Ergänzungsvorschläge der Minderheitenverbände des sorbischen Volkes, der dänischen Minderheit und der friesischen Volksgruppe im Entwurf weitgehend berücksichtigt. Dennoch reiche aus Sicht der Verbände vor allem die Beachtung der Bekenntnisfreiheit bei der Umsetzung des Gesetzes in der Praxis nicht aus. Es müsse künftig sichergestellt werden, dass die Bekenntnisfreiheit gewahrt wird und die Zugehörigkeit von Antragstellenden zu einer nationalen Minderheit oder Volksgruppe von Standesämtern nicht überprüft, registriert oder bestritten wird. Zudem müssten die Regelungen auch außerhalb von anerkannten Siedlungsgebieten gelten.

Zusammenfassend enthalte der Entwurf viel Licht, aber durchaus auch einige Schatten, so Saskia Lettmaier Zu oft würden unkritisch die alten Regelungen fortgeschrieben, erklärte die Sachverständige, die auch eine Reihe von Korrekturen vorschlug. Sie bemängelte unter anderem das schwerfällige familiengerichtliche Prozedere bei Dissens der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern über den Kindesnamen.

Die begrenzt erscheinende Reichweite des Entwurfs dürfe nicht den Blick darauf verstellen, dass das Erreichte richtig und wichtig sowie quantitativ alles andere als unbedeutend sei, so Katharina Lugani. In Ermangelung einer umfassenden Reform könne der Entwurf nicht anders, als zur Unübersichtlichkeit des geltenden Namensrechts beizutragen. Daher seien weitere Reformschritte nötig.

Die Anhörung im Video und die Stellungnahmen der Sachverständigen finden Sie auf bundestag.de. 

Quelle: Heute im Bundestag (hib) Nr. 927 am 11.12.202

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