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Kritik an Lösung zur Stiefkindadoption

Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 29.1.2020

Am 29.1.2020 fand eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zur Öffnung der Stiefkindadoption für nichteheliche Paare statt. Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 2019 zum Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien im Dezember beschlossen. Thema der Anhörung war außerdem ein Antrag der FDP-Fraktion zur Stiefkindadoption (BT-Drucks. 19/15772), nach dem nichteheliche Lebensgemeinschaften und Ehe bei der Adoption eines Kindes gleichstellt werden sollen. Auch müsse es Ehegatten ermöglicht werden, als Einzelperson zu adoptieren.

An der Anhörung nahmen folgende Sachverständige teil:

  • Dr. Nina Dethloff von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
  • Dr. Anne Sanders von der Universität Bielefeld
  • Dr. Hildegund Sünderhauf von der Evangelischen Hochschule Nürnberg
  • Dr. Katharina Hilbig-Lugani vom Deutscher Juristinnenbund (djb)
  • Ursula Hennel vom Sozialdienst katholischer Frauen
  • Gernot Kintzel, Richter am Oberlandesgericht Bamberg
  • Insa Schöningh, Bundesgeschäftsführerin der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Familie
  • Constanze Körner vom Berlin Verein Lesben-Leben-Familie

Die Experten waren überwiegend der Meinung, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Öffnung der Stiefkindadoption für nichteheliche Paare nicht weit genug gehe.

 

Kritik an Terminologie

Familienrechtsexpertin Nina Dethloff erklärte, dass unverheirateten Partnern nach wie vor die gemeinschaftliche Adoption verwehrt werden würde. Wie auch andere Sachverständige bemängelte sie den Begriff der verfestigten Lebensgemeinschaft. Dieser sei unglücklich gewählt, da er bereits im Unterhaltsrecht verwendet werde, wo ihm eine andere Bedeutung zukomme. Vorzugswürdig wäre die Verwendung eines anderen, neuen Begriffs, wie etwa der faktischen Lebensgemeinschaft, erklärte Dethloff. Sie forderte den Gesetzgeber auf, mit der Beseitigung gravierender Ungleichbehandlungen von Kindern, die in nichtehelichen Familien aufwachsen, nicht zu warten, bis das Bundesverfassungsgericht den nächsten Verstoß feststellt.

Gernot Kintzel folgte dieser Auffassung grundsätzlich mit seinen Ausführungen. Maßgeblich für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen wem eine Adoption eröffnet werden sollte, müsse das Kindeswohl sein, betonte er in seiner Stellungnahme. Gleichbehandlungsgesichtspunkte der Adoptivbewerber hätten hinter Belangen des Kindeswohls zurückzutreten. Weitergehende Regelungen wie von der FDP gefordert seien nicht angezeigt.

 

Insellösung provoziert nur viele Probleme

Anne Sanders hingegen unterstützte die von der FDP vorgeschlagene große Lösung. Sie war ebenfalls der Meinung, der Begriff "verfestigte Lebensgemeinschaft" solle ersetzt werden durch "stabile eheähnliche Lebensgemeinschaft". Sie befürworte eine Regelung, sagte Sanders, nach der Ehepaare und Lebensgefährten entweder gemeinsam oder gar nicht adoptieren können. Andernfalls werde es zu einer Ungleichbehandlung von Ehegatten gegenüber Lebensgefährten kommen. Sollte der Gesetzgeber an der im Entwurf vorgeschlagenen kleinen Lösung festhalten, würde sie kleinere Änderungen anregen. Dazu zähle auch eine Ausnahmeregelung für eine Adoption in einer stabilen eheähnlichen Lebensgemeinschaft, wenn ein Partner mit einem Dritten verheiratet ist.

Die Familienrechtlerin Hildegund Sünderhauf sprach sich dafür aus, wünschenswerte Adoptionen nicht an rechtlichen Hürden scheitern zu lassen. So sollte die Adoption für elternlose Kinder ermöglicht werden, und zwar auch in Fällen, in denen die Eltern nicht verheiratet sind, und auch dann, wenn sie zwar verheiratet sind, aber nur einer der beiden Eheleute das Kind adoptieren will. Adoption schaffe Eltern-Kind-Bindungen und verfestige sie durch rechtliche Familienbeziehungen, sagte Sünderhauf.

Auch Katharina Hilbig-Lugani bemängelte, dass der Entwurf nur eine Regelung zur Stiefkindadoption enthalte und den nichtehelichen Lebensgemeinschaften nicht die Möglichkeit der gemeinschaftlichen Adoption eröffne. Kritisch sehe sie auch die Anhebung der Mindestdauer einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft von zwei auf vier Jahre für die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft. Der Entwurf zeige, so Hilbig-Lugani, dass eine Insellösung nur wenige Probleme löst, aber viele Probleme provoziert. Im Bereich des Adoptions- und Abstammungsrechts bedürfe es daher bald einer großen Lösung, die auch andere Expertinnen anmahnten.

 

Umfassende Reform des Abstammungsrechts dringend angezeigt

Für überzeugend hält dagegen Ursula Hennel den Entwurf. Hennel, die aus der Sicht einer Praktikerin sprach, erklärte, es sei richtig, dass sich die Vorlage auf die Öffnung der Stiefkindadoption für nichteheliche Partner beschränkt. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass bei einer gleichzeitigen Öffnung der Fremdadoption für nichteheliche Paare adoptionsspezifische Qualitätskriterien und Erfahrungen gegenüber dem Beweggrund der Gleichstellung von nichtehelichen und ehelichen Familien aus dem Fokus gerieten.

Insa Schöningh begrüßte ebenfalls das Ziel des Gesetzentwurfes, Stiefkindadoptionen auch in nichtehelichen, aber stabilen Partnerschaften zuzulassen. Die vom BVerfG geforderte Gleichstellung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Ehen spiegele im Hinblick auf Stabilität und Kindeswohl die gesellschaftliche Realität wider und sei daher überfällig. Gleichzeitig sprach sie sich für eine umfassende Reform des Abstammungs- und Sorgerechts auch für weitere Familienkonstellationen aus.

Constanze Körner vom Berlin Verein Lesben-Leben-Familie sagte, es sei grundsätzlich zu begrüßen, dass sich ein verändertes, vielfältigeres Familienbild Schritt für Schritt in den Gesetzen durchsetze und Familie längst nicht mehr zwingend an die Ehe gebunden sein müsse. Jedoch sei für lesbische Mütterfamilien noch immer die Stiefkindadoption in der Ehe beziehungsweise der Eingetragenen Lebenspartnerschaft nach der Geburt der einzige Weg, um rechtlich Eltern ihres in die lesbische Beziehung hineingeborenen Kindes zu werden. Dringend notwendig sei daher die Abschaffung der Stiefkindadoption in gleichgeschlechtlichen Ursprungsfamilien sowie grundsätzlich eine Reform des Abstammungsrechts.

Zum Weiterlesen:

FamRZ-Buch 23: Adoptionsrecht in der Praxis

Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien - DAV veröffentlicht Stellungnahme zu Diskussionspapier des BMJV

Modernisierung des Adoptionswesens - BMFSFJ entwickelt Kernpunktepapier für Reform

Sog. Stiefkindadoption setzt Ehe oder Lebenspartnerschaft voraus - Bundesgerichtshof, Beschluss v. 8.2.2017 – XII ZB 586/15

Entscheidung zur sog. Stiefkindadoption - Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Oldenburg v. 17.5.2017

 

Quelle: Heute im Bundestag (hib) Nr. 131/2020 vom 29.1.2020

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