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Kontroverse um Familiennachzug

- Gesetzgebung

Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat

Die künftige Regelung des Familiennachzugs zu subsidiär schutzberechtigten Ausländern in Deutschland sorgt unter Sachverständigen für Kontroversen. Dies wurde am Montagnachmittag bei einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat zu je einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung sowie der FDP-Fraktion und der Fraktion Die Linke deutlich.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, den derzeit ausgesetzten Nachzug ausländischer Mitglieder der Kernfamilie zu subsidiär Schutzberechtigten ab Anfang August für 1.000 Personen pro Monat zu gewähren. Im Gegensatz dazu fordert die FDP-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf (BT-Drucks. 19/2523) als Übergangslösung den Familiennachzug zu subsidiär schutzberechtigten Flüchtlingen für weitere zwei Jahre auszusetzen. Zugleich solle er aber für verschiedene Ausnahmen wieder zugelassen werden. Nach dem Willen der Fraktion Die Linke soll die Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten mit sofortiger Wirkung aufgehoben werden (BT-Drucks. 19/2515).

Die zur Anhörung geladenen Sachverständigen waren:

  • Nele Allenberg, Leiterin des Willkommenszentrums Berlin beim Beauftragten des Berliner Senats für Integration und Migration
  • Bellinda Bartolucci vom Förderverein Pro Asyl
  • Roland Bank, Vertretung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Deutschland
  • Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Kay Hailbronner
  • Prof. Dr. Marcel Kau, Universität Konstanz
  • Uwe Lübking vom Deutschen Städte- und Gemeindebund
  • Engelhard Mazanke, Leiter der Berliner Ausländerbehörde
  • Prof. Dr. Daniel Thym, Universität Konstanz

 

Bedeutung des Familiennachzugs wird unterschiedlich eingeschätzt

Die Aussetzung des Familiennachzugs bedeute für die Betroffenen "großes menschliches Leid". Dies äußerte Allenberg in der Anhörung. Es sei ihnen nur eingeschränkt möglich, Integrationsangebote wahrzunehmen. Lübking hingegen betonte, die Familienzusammenführung sei für die Integration notwendig, doch zu den ebenso wichtigen Voraussetzungen für Integration zählten etwa geeignete Unterkünfte sowie Kinderbetreuungsangebote und Schulplätze. Weil die zur Integration erforderlichen Möglichkeiten begrenzt seien, man aber die Bedeutung des Familienzusammenhalts anerkenne, sehe man "in dem Gesetzentwurf grundsätzlich einen Schritt in die richtige Richtung".

Bartolucci kritisierte, dass die Abschaffung des Anspruchs auf Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigten menschlich und rechtlich nicht haltbar sei. Auch das geplante Kontingent könne keinen Anspruch ersetzen und werde in der Praxis zu "unerträglichen Unsicherheiten führen". Für die Betroffenen werde nicht mehr erkennbar sein, ob und wann über ihren Antrag auf Familienzusammenführung entschieden wird.

 

Fehlende Kriterien für Aufnahme in das Kontingent

Die vorgesehene Kontingentierung wurde von fast allen Sachverständigen thematisiert und zum Teil kritisiert. Kau sagte dazu, dass nicht erkennbar sei, nach welchen Kriterien Betroffene ausgewählt würden, welche Kriterien entscheidend seien. Dies sei "periodisch überprüfungsbedürftig". Auch werde man am 1.8. kaum in der Lage sein, die Neuregelung "sofort funktionsfähig anlaufen zu lassen". Bank mahnte, das Kontingent von monatlich 1.000 Personen auch tatsächlich auszuschöpfen. Dazu sollten die Kriterien für die Bestimmung des Kontingents vereinfacht werden und transparent für jeden Monat regeln, wer zu dem Kontingent gehöre.

Hailbronner plädierte dafür, das monatliche Kontingent in drei Gruppen zu unterteilen. Es sollten jeweils 250 auf den Nachzug von und zu minderjährigen Kindern und auf die Gruppe der bereits seit drei Jahren auf den Nachzug wartenden Familienangehörigen entfallen. Die restlichen 500 sollten nach Integrationsgesichtspunkten wie "Sicherung des Lebensunterhalts für die Familie", Wohnraum und Deutschkenntnissen erteilt werden. Thym legte nahe, in den ersten Monaten das gesamte Kontingent für den Nachzug von Familien mit Kleinstkindern aus bestimmten Ländern zu verwenden. Dies sei rechtlich möglich und sehr einfach zu implementieren. Komplexere Verfahren mit mehr Kriterien könnten dann schrittweise entwickelt werden. Er unterstrich zudem, dass der Regierungsentwurf grundrechtskonform sei, weil neben der Kontingentlösung auch eine Ausnahmeregelung für Härtefälle greife.

 

Bundesrat nahm am Freitag Stellung

Der Bundesrat befasste sich mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Familiennachzug in seiner Sitzung am vergangenen Freitag. In seiner Stellungnahme macht er deutlich, dass die Voraussetzungen und das Verfahren für den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten im Gesetzentwurf der Bundesregierung noch nicht ausreichend klar und rechtssicher geregelt sind. Es wurde daher gefordert, deutlicher klarzustellen, ob die zum Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis notwendigen humanitären Gründe voll oder nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar sind. Gleiches gelte für die Aspekte Kindeswohl und Integration.

Zudem sei unklar, in welchem Verhältnis diese Belange zu den humanitären Gründen stehen. Die Gewichtung der einzelnen Kriterien müsse in Abstimmung mit den Ländern durch ein Ranking transparent entschieden werden. Außerdem spricht sich der Bundesrat dafür aus, eine Regelung zur Evaluierung des Vorhabens aufzunehmen.

 

Quelle: Heute im Bundestag (hib) Nr. 397 vom 11.6.2018

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