BMJ legt ersten Vorschlag für eine Reform vor
Das BMJ hat heute ein Eckpunktepapier zur Reform des Kindschaftsrechts vorgelegt, welches auf der Website des BMJ abrufbar ist. Dieses enthält Vorschläge zur Reform des Sorge- und Umgangsrechts sowie des Adoptionsrechts.
Bereits seit Jahren weisen Expertinnen und Experten auf den Reformbedarf hin und fordern, das Kindschaftsrecht zu reformieren. Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, das geltende Recht anzupassen. Nun liefert sie erste Anhaltspunkte, wie dieses Vorhaben aussehen könnte. Das Eckpunktepapier wird demnächst in der FamRZ besprochen. Abonnieren Sie den FamRZ-Newsletter, um up-to-date zu bleiben.
Alle Vorschläge auf einen Blick
Konkret vorgeschlagen werden insbesondere folgende Neuerungen:
Wechselmodell
Das Wechselmodell, das viele Eltern nach einer Trennung schon jetzt leben, soll erstmalig gesetzlich geregelt werden: Es soll klargestellt werden, dass das Familiengericht in einem Umgangsverfahren (nach Trennung) eine Betreuung durch beide Elternteile, ggf. auch eine paritätische Betreuung anordnen kann – wenn dies dem Kindeswohl am besten entspricht.
Sorgerecht in nichtehelichen Lebensgemeinschaften
Ein Vater, der mit der Mutter zusammenwohnt, aber nicht verheiratet ist, soll künftig einfacher das Sorgerecht erlangen können. Wenn die Mutter nicht widerspricht, soll eine einseitige, beurkundete Erklärung ausreichen.
Vereinbarungen zwischen Eltern über das Sorgerecht
Eltern sollen mehr Autonomie in Bezug auf ihr Sorgerecht erhalten: Sie sollen die Alleinsorge eines Elternteils vereinbaren können; auch eine Übertragung der elterlichen Sorge von einem Elternteil auf den anderen soll leichter möglich sein.
„Kleines Sorgerecht“
Die Sorgeberechtigten (im Regelfall also die Eltern) sollen künftig durch Vereinbarung bis zu zwei weiteren Personen – zum Beispiel ihren jeweils neuen Partnern – sorgerechtliche Befugnisse einräumen können.
Vereinbarungen über das Umgangsrecht mit Dritten
Mit Dritten sollen die sorgeberechtigten Eltern künftig auch Vereinbarungen über den Umgang mit dem Kind schließen können.
Recht von Kindern auf Umgang
Kinder sollen ein Recht auf Umgang mit Großeltern und Geschwistern, mit anderen Bezugspersonen sowie mit leiblichen, nicht rechtlichen Elternteilen erhalten.
Mitentscheidungsbefugnis von Kindern
Kinder sollen ab dem Alter von 14 Jahren im Sorge- und Umgangsrecht künftig ausdrückliche Mitentscheidungsbefugnisse haben. So sollen sie z.B. eine erneute Entscheidung über eine bereits getroffene Umgangsregelung beantragen können.
Schutz vor häuslicher Gewalt
Mit einer Ermittlungspflicht soll klargestellt werden, dass das Familiengericht in Umgangsverfahren Anhaltspunkten für häusliche Gewalt gegenüber dem Kind und/oder dem anderen Elternteil und deren Folgen umfassend und systematisch nachgehen und eine Risikoanalyse vornehmen muss.
Sorge- und Umgangsrecht
Bei Partnerschaftsgewalt soll ein gemeinsames Sorgerecht regelmäßig ausscheiden. Es soll klargestellt werden, dass das Familiengericht den Umgang beschränken oder ausschließen kann, wenn dies erforderlich ist, um eine konkrete Gefährdung des betreuenden Elternteils durch einen gewalttägigen Ex-Partner abzuwenden.
Liberalisierung des Adoptionsrechts
Auch Paare, die nicht verheiratet sind, sollen gemeinsam ein Kind adoptieren können; bisher ist dies nur verheirateten Paaren möglich. Verheiratete Personen sollen künftig auch allein ein Kind adoptieren können.
Auf Grundlage des Eckpunktepapiers wird das Bundesministerium der Justiz nunmehr einen Gesetzentwurf für die Reform des Kindschaftsrechts erarbeiten. Dieser soll noch im ersten Halbjahr 2024 vorgelegt werden.
Zum Weiterlesen:
"Überlegungen zu einer grundlegenden Reform des Sorge- und Umgangsrechts" von Hammer in FamRZ 2018, 229
FamRZ-Buch 37: „Sorge und Umgang in der Rechtspraxis“ von Tobias Fröschle
Kindesunterhaltsrecht auf dem Prüfstand - Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion
72. DJT: Beschlüsse der Abteilung Familienrecht - Umfassende Reformen gefordert
„Kindesunterhalt und Wechselmodell – Eine vergleichende Perspektive“ von Dethloff und Kaesling in FamRZ 2018, 73
„Alternativentwurf eines Finanzierungsmodells bei Wechselbetreuung eines Kindes“ von Spangenberg in FamRZ 2017, 1383
„Das Wechselmodell“ von Wohlgemuth in FamRZ 2017, 676
Quelle: Pressemitteilung des BMJ vom 16.1.2024