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Hinterbliebenengeld trifft auf Bedenken

Heute im Bundestag Nr. 275 vom 27.04.2017

Ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung zur Einführung eines Hinterbliebenengeldes (18/11397, 18/11615) ist bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses auf teils grundsätzliche, teils spezifische Bedenken gestoßen. Das Hinterbliebenengeld soll nahestehenden Personen beim fremdverschuldeten Tod eines Menschen zustehen. Hinterbliebene können bisher nur Schmerzensgeld vom Verursacher des Todes eines Angehörigen verlangen. Ausschlaggebend ist dafür, dass sich eine gesundheitliche Beeinträchtigung als Folge des Todesfalls, ein sogenannter Schockschaden, medizinisch nachweisen lässt.

Der Gesetzentwurf sieht nun vor, dass

"im Fall der fremdverursachten Tötung für Hinterbliebene, die zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis standen, einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld für das zugefügte seelische Leid gegen den für die Tötung Verantwortlichen" haben.

Grundsätzliche Bedenken

Bei der Anhörung äußerten sich die Sachverständigen durchaus kritisch zu dem Gesetzentwurf:

  • Kim Martin Jost (Präsidiumsmitglied des Deutschen Richterbundes): Bisher kenne das deutsche Recht nur Entschädigungen für konkret benennbare Schäden. Ein allgemeiner Anspruch auf eine Zahlung beim fremdverschuldeten Tod einer nahestehenden Person sei "rechtsethisch problematisch", weil er eine "Kommerzialisierung von persönlichem Leid" bedeute.
  • Christian Katzenmeier (Professor für Medizinrecht an der Kölner Universität): Angesichts der Schwierigkeit einer Bewertung seelischen Leids sei ein finanzieller Ausgleich nicht möglich. Zwar gehe es im Gesetzentwurf um Anerkennung, nicht Ausgleich seelischen Leids, doch werde das "in der Bevölkerung anders empfunden werden".
  • Georg Maier-Reimer (Deutscher Anwaltsverein): begrüßt den Gesetzentwurf im Grundsatz, da die geltende Rechtslage "als Gerechtigkeitslücke empfunden" werde. Er plädierte allerdings für die Festschreibung eines Betrags für das Hinterbliebenengeld.
  • Gerda Müller (ehemalige Vizepräsidentin des Bundesgerichtshofs): sie sieht ein Problem darin, die Höhe des Hinterbliebenengeldes angemessen zu bewerten.

Das Näheverhältnis zum Verstorbenen

Dass der Gesetzentwurf das Näheverhältnis zum Verstorbenen nicht an formalen Verwandtschaftsgraden festmachen will, findet allgemein Zuspruch bei den Sachverständigen. Der Berliner Rechtsprofessor Hans-Peter Schwintowski gibt jedoch dabei zu bedenken, dass dies "zu Beweisschwierigkeiten führen" kann. Deshalb plädierte er dafür, ein "tatsächlich gelebtes Näheverhältnis" zur Grundlage zu nehmen und nicht ein "vermutetes", wie es im Gesetzentwurf heißt. Ganz grundsätzlich begrüßte Schwintowski das Hinterbliebenengeld. Sein Berliner Kollege Gerhard Wagner verwies darauf, dass Hinterbliebene schon jetzt anspruchsberechtigt bei Vermögensschäden seien. Für ihn sei es nicht ersichtlich, warum das nicht auch für immaterielle Schäden gelten solle. Auch "eine Geldzahlung kann eine gewisse Anerkennung für Leid sein", gab er zu bedenken. Allerdings hielte er es für besser, sowohl den Kreis der Anspruchsberechtigten als auch die Höhe des Hinterbliebenengeldes im Gesetz genauer zu regeln.

Quelle: Aktuelle Meldungen des Bundestags (hib), Nr. 275/2017

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