Beschlüsse zum Familienrecht
Unter dem Vorsitz des Landes Schleswig-Holstein fand am 7.11.2019 die Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister in der Landesvertretung Schleswig-Holsteins in Berlin statt. Dabei kam es auch zur Abstimmung über einige für Familienrechtler interessante Beschlüsse. Diese haben zwar keinen Rechtssetzungscharakter, von ihnen können aber maßgebliche Impulse für die rechtspolitische Entwicklung in Deutschland und Europa ausgehen.
Gerichtlich gebilligte Vergleiche über die elterliche Sorge
Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder formulierten folgende Bitte an die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz: Es solle ein Gesetzentwurf zur Ergänzung des § 156 Absatz 2 FamFG um die Möglichkeit eines gerichtlich zu billigenden Vergleichs in Fragen der elterlichen Sorge sowie die erforderlichen materiellen Änderungen vorgelegt werden.
Beschluss zu TOP I.1. Gerichtlich gebilligte Vergleiche über die elterliche Sorge
Zwangsvollstreckung von Krankenkassenbeiträgen gegen Minderjährige
Die JuMiKo erinnerte daran, dass das in Art. 6 II S. 2 GG verankerte staatliche Wächteramt und der mit ihm verbundene Schutzauftrag an die staatliche Gemeinschaft vorgeben, jeder Form von konkreten Kindeswohlgefährdungen aktiv entgegenzutreten. In ihrem Beschluss bitten die Justizministerinnen und -minister daher die Konferenz der Ministerinnen und Minister und Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales, die Praxis der Krankenkassen in Bezug auf Zwangsvollstreckungen von Krankenkassenbeiträgen gegen Minderjährige und gegebenenfalls erforderliche Rechtsänderungen zu prüfen.
Beschluss zu TOP I. 2. Zwangsvollstreckung von Krankenkassenbeiträgen gegen Minderjährige
Örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts
Im Hinblick auf Fälle mit erheblicher Gewaltbefürchtung sei zu prüfen, ob für einen effektiven Opferschutz eine Änderung der Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit des Familiengerichts in Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Kindesunterhaltssachen veranlasst ist. Diese Auffassung äußerte die JuMiKo bereits bei der Frühjahrskonferenz 2015.
Beschluss zu TOP I. 8. Örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts in Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Kindesunterhaltssachen in Fällen mit Gewaltbefürchtung
Gewaltschutzverfahren: Zusammenarbeit von Justiz und Polizei
Die Justizministerinnen und Justizminister sind der Meinung, dass ein effektiver Opferschutz es erfordert, gerichtliche Entscheidungen nach dem Gewaltschutzgesetz gemäß § 216a FamFG an die zuständige Polizeibehörde mit Gründen übermitteln zu können. Bislang erfolgt regelmäßig eine Übermittlung ohne Gründe. Die JuMiKo wird daher eine Änderung der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen in Ziffer XI II S. 1 Nr. 1 dahingehend veranlassen, dass zukünftig die Mitteilung an die zuständige Polizeibehörde durch Übersendung einer gerichtlichen Entscheidung mit Gründen in Fällen erfolgen kann, in denen dies nach den konkreten Umständen angezeigt erscheint.
Beschluss zu TOP I. 10. Zusammenarbeit von Justiz und Polizei in Gewaltschutzverfahren
Einwilligungsbefugnis Minderjähriger in Bezug auf ärztliche Behandlungen
Folgende Frage sei durch Rechtsprechung und Lehre bislang nicht hinreichend geklärt: Dürfen einsichts- und urteilsfähige Minderjährige und gegebenenfalls unter welchen näheren Voraussetzungen in ärztliche Behandlungen zivilrechtlich auch ohne Zustimmung ihrer Sorgeberechtigten einwilligen? Die Justizministerinnen und Justizminister richten daher eine Länderarbeitsgruppe unter Federführung des Landes Nordrhein-Westfalen ein, die genau dieser Frage nachgeht. Das BMJV werde gebeten, sich an dieser Arbeitsgruppe zu beteiligen.
Beschluss zu TOP I. 13. Einwilligungsbefugnis Minderjähriger in Bezug auf ärztliche Behandlungen
Stärkung des Selbstbestimmungsrechts betreuter Menschen
Zur Norm über die die Prozessunfähigkeit bei Betreuung (§ 53 ZPO) stellte die JuMiKo fest: sie werde dem Selbstbestimmungsrecht rechtlich betreuter Menschen nicht in jedem Fall gerecht, obwohl dieses dem Betreuungsrecht immanent ist und von dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen garantiert wird.
Die Justizministerinnen und -minister bitten daher die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, im derzeit laufenden Prozess zur Reform des Betreuungsrechts zu prüfen, inwieweit durch eine Änderung des § 53 ZPO das Selbstbestimmungsrecht betroffener Menschen gestärkt und gleichzeitig das Interesse an einem sachgerechten Verlauf gerichtlicher Verfahren gewahrt werden kann.
Beschluss zu TOP I. 15. Stärkung des Selbstbestimmungsrechts betreuter Menschen
Kinder von Inhaftierten
Die JuMiKo befasste sich schließlich noch mit der Verbesserung der Situation von Kindern Inhaftierter und ihren Familien. Sie formulierte die Bitte an
- die Konferenz der Ministerinnen und Minister,
- Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales
- die Konferenz der für Kinder-, Jugend- und Familienpolitik zuständigen Ministerinnen und Minister,
- Senatorinnen und Senatoren der Länder,
unter Berücksichtigung des Berichts der länderoffenen Arbeitsgruppe „Kinder von Inhaftierten“ des Strafvollzugsausschusses auch im Rahmen ihrer Ressortzuständigkeit Lösungen für eine Umsetzung der „Empfehlung CM/Rec(2018)5 des Ministerkommitees des Europarates an die Mitgliedstaaten zu Kindern inhaftierter Eltern“ zu erarbeiten.
Beschluss zu TOP II. 16. Kinder von Inhaftierten
Zum Weiterlesen:
Gutachtermangel im Familienrecht - Beschluss der Frühjahrskonferenz der JustizministerInnen
Beschlüsse der Herbstkonferenz der Justizminister - Impulse für die rechtspolitische Entwicklung
Beschluss der Justizministerkonferenz zum Wechselmodell - Gesetzliche Regelung muss geprüft werden
Juristisches Staatsexamen ohne Familienrecht? - Wissenschaftliche Vereinigung besorgt über Pläne der Justizministerkonferenz