Überblick über aktuelle Gesetzgebungsvorhaben
Der Schutz vor häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt steht derzeit in besonderem Fokus des Gesetzgebers. Neben einem bereits verkündeten Bundesgesetz zur Umsetzung der Istanbul-Konvention befinden sich mehrere Gesetzentwürfe und Referentenentwürfe auf Bundes- und Bundesratsebene im Gesetzgebungsverfahren. Sie zielen auf
- eine Effektivierung des zivilrechtlichen Gewaltschutzes,
- eine bessere Bewältigung von Hochrisikofällen,
- eine Stärkung der Rechte von Gewaltopfern.
Nachfolgend finden Sie einen Überblick über die wichtigsten Vorhaben und ihren jeweiligen Stand.
Elektronische Aufenthaltsüberwachung und Täterarbeit im Gewaltschutzgesetz
Ein Referentenentwurf des BMJV vom 25.8.2025 sieht vor, den zivilrechtlichen Gewaltschutz insbesondere in Hochrisikokonstellationen deutlich auszubauen. Kernpunkte sind die Einführung einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung für Täter sowie die stärkere gesetzliche Verankerung von Täterarbeit als begleitende Maßnahme zu Schutzanordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz. Geplant sind auch Modifikationen im BGB und EGBGB sowie im FamFG, die in der FamRZ bereits diskutiert werden (vgl. Cirullies, FamRZ 2025, 1673 ff.).
Effektivierung des Gewaltschutzes in Hochrisikofällen
Mit Gesetzentwurf vom 17.10.2025 (BR-Drucks. 211/25) hat der Bundesrat eine eigene Initiative zur Verbesserung des Gewaltschutzes in besonders gefährlichen Fallkonstellationen eingebracht. Vorgesehen sind u. a. verbesserte Instrumente zur Risikoerkennung sowie eine engere institutionelle Verzahnung von Polizei, Familiengerichten und weiteren beteiligten Stellen.
Der Entwurf wurde in den Bundestag eingebracht und befindet sich im parlamentarischen Verfahren. Es ist offen, ob und inwieweit er mit parallellaufenden Initiativen der Bundesregierung zusammengeführt wird.
Stärkung der Rechte von Verletzten schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten
Ein weiterer Referentenentwurf des BMJV vom 26.11.2025 zielt auf eine umfassende Stärkung der Rechte von Verletzten, insbesondere bei schweren Gewalt- und Sexualstraftaten. Vorgesehen sind u. a. Verbesserungen im Bereich der Information, des psychosozialen Beistands und des verfahrensrechtlichen Schutzes von Opfern.
Der Entwurf befindet sich derzeit in der Ressort- und Verbändeabstimmung. Auch wenn der Schwerpunkt im Straf- und Strafverfahrensrecht liegt, sind mittelbare Auswirkungen auf familiengerichtliche Verfahren, etwa bei Sorge- und Umgangsentscheidungen nach Gewalterfahrungen, absehbar.
Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung und Zwangsheirat
Ebenfalls als Referentenentwurf hat das BMJV am 21.10.2025 ein Gesetz zur Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung vorgelegt. Der Entwurf dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1712 und sieht u. a. einen neuen § 232 StGB vor, der erstmals ausdrücklich Ausbeutung im Zusammenhang mit Leihmutterschaft, Adoption und Zwangsheirat erfasst.
Das Vorhaben befindet sich noch vor der Kabinettsbefassung.
Bereits verkündet: Gesetz für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt
Bereits am 27.2.2025 wurde das Gesetz für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt verkündet (BT-Drucks. 589/24). Es dient der Umsetzung der Istanbul-Konvention und verfolgt das Ziel, bundesweit ein bedarfsgerechtes Netz an Schutz- und Beratungsangeboten sicherzustellen – unabhängig von Wohnort, Aufenthaltsstatus oder Einkommen der Betroffenen.
Die familienrechtlich relevanten Neuregelungen und ihre praktische Bedeutung werden von Petra Volke in der FamRZ eingehend dargestellt (FamRZ 2025, 1768).