Sammelung von Rechtssprechungen in Bücher im Regal

Gesetzentwurf zu Kinderrechte im Grundgesetz

Bundesregierung einigt sich auf Formulierung

Die Bundesregierung hat den von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur ausdrücklichen Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz beschlossen. Er enthält in Art. 6 II GG folgende Formulierung (neuer Text fett gekennzeichnet):

Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.

Der Gesetzentwurf ging aus dem Abschlussbericht einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe hervor. Er setzt die Einigung auf einen Regelungstext um, welche eine vom Koalitionsausschuss eingesetzte Arbeitsgruppe am 12.1. erzielt hatte. Die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz wurde im Koalitionsvertrag vereinbart.

 

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen

Der Passus könnte noch in diesem Jahr ins Grundgesetz aufgenommen werden. Dazu bedarf es allerdings einer breiten parlamentarischen Mehrheit. Diese sei „nur mit einer konstruktiven Haltung und Kompromissbereitschaft bei allen Beteiligten“ zu erreichen, so Lambrecht. „Wir dürfen diese historische Chance auf eine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz nicht ungenutzt verstreichen lassen.“

Zum Gesetzentwurf erklärte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey außerdem:

Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten mit eigenen Rechten. Es ist wichtig, dass wir dafür das gesellschaftliche Bewusstsein schärfen und die Rechte der Kinder überall sichtbarer machen – vor allem endlich auch im Grundgesetz, unserem Wertekompass.

Zu den wesentlichen Punkten des Gesetzentwurfs gehören:

Grundrechtssubjektivität von Kindern einschließlich eines Entwicklungsgrundrechts

Die Grundrechtssubjektivität besagt, dass Kinder Träger von Grundrechten sind. Diese an sich selbstverständliche Feststellung ist im Regelungstext so umgesetzt, dass ausdrücklich ein Recht des Kindes auf Achtung und Schutz seiner verfassungsmäßigen Rechte verankert ist. Insbesondere wird das Recht auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit genannt.

Verankerung des Kindeswohlprinzips

Das Kindeswohl als handlungsleitender Aspekt soll ausdrücklich in der Verfassung verankert werden und bei staatlichem Handeln angemessen berücksichtigt werden. Das wird die Elternrechte nicht schmälern. Vielmehr bleibt es dabei, dass der Staat in Elternrechte nur bei konkreter Gefährdung des Kindeswohls eingreifen darf.

Gehörsrecht des Kindes

Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör bei Einzelentscheidungen von Gerichten oder Behörden in eigenen Angelegenheiten wird bekräftigt. Sie können ihre Meinung äußern und diese ist zu berücksichtigen.

Rechtsstellung Eltern

Das Verhältnis von Eltern und Staat bleibt unberührt. Die Rechte und Pflichten der Eltern bleiben bestehen.

 

Experten und Verbände kritisch

Zweifel an der Notwendigkeit des geplanten Gesetzes bzw. Kritik am Gesetzentwurf gab es von vielen Seiten (s. auch FamRZ-Newsletter 3/2021 "Kinderrechte im Grundgesetz" mit einem Editorial von Dagmar Coester-Waltjen). So heißt es beispielsweise in einer Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer,

dass die aktuelle gesetzgeberische Initiative ihren Grund ausschließlich in einer Vorfestlegung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode zur Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz hat. Eine sachliche Notwendigkeit besteht speziell für diese Grundgesetzänderung aus Sicht der Bundesrechtsanwaltskammer jedoch nicht; das entspricht auch der Einschätzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Kinderrechte ins Grundgesetz“ in ihrem Abschlussbericht vom 14.10.2019. Soweit es in Einzelfällen zu massiven und tragischen Verletzungen von Rechten der Kinder gekommen ist (Stichwort: Kindesmissbrauch) und in diesem Zusammenhang zu Fehlentscheidungen staatlicher Behörden und/oder Gerichte sowie von kirchlichen Autoritäten, lagen die Ursachen hierfür sicherlich nicht darin, dass der Schutz des Kindeswohls normativ und speziell im Grundgesetz zu schwach ausgeprägt gewesen ist, sondern allenfalls in einem Vollzugsdefizit.

Die komplette Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer finden Sie hier.

Volltext (PDF): Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes zur ausdrücklichen Verankerung der Kinderrechte vom 20.1.2021

 

Zum Weiterlesen:

Kinderrechte ins Grundgesetz - Thema erneut auf der Tagesordnung des Bundesrates

Kinderreport 2018 des Deutschen Kinderhilfswerkes - Bevölkerung fordert umfangreiche Maßnahmen gegen Kinderarmut

Kinder und Jugendliche wollen gehört und beteiligt werden - Studie „Children's Worlds+“ zeigt Situation Minderjähriger

DKSB fordert Grundrechtsverankerung der Kinderrechte - Für ein besseres Kinder- und Jugendhilferecht

Kinderrechte in Deutschland: Maßnahmen und Fortschritte - Bundesregierung legt Bericht vor

NRW startet Bundesratsinitiative für Kinderrechte im Grundgesetz - Gesetzesantrag am 31.3.2017 im Bundesrat

Geplantes Kinder- und Jugendstärkungsgesetz in der Kritik - Heute im Bundestag Nr. 378 vom 20.5.2017

Quelle: Pressemitteilung des BMJV vom 20.1.2021

Zurück