Öffentliche Anhörung des Ausschusses Recht- und Verbraucherschutz
Am 10. November diskutierten sieben Sachverständige im Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses Recht und Verbraucherschutz den Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen". Teilnehmer der Anhörung waren
- Sandra Cegla, ehemalige Kriminalkommissarin und Gründerin der Hilfsorganisation SOS-Stalking
- Thomas Janovsky, Bamberger Generalstaatsanwalt
- Birgit Cirullies, ehemalige Leitende Oberstaatsanwältin
- Leonie Steinl vom Deutschen Juristinnenbund
- Roswitha Müller-Piepenkötter, ehemalige nordrhein-westfälische Justizministerin und Vorsitzende der Opferschutz-Organisation Weißer Ring
- Beate M. Köhler vom Anti-Stalking-Projekt des Berliner FRIEDA-Frauenzentrums
- Gül Pinar vom Deutschen Anwaltsverein
Zweifel an Wirksamkeit des neuen Stalking-Schutzes
Der diskutierte Gesetzentwurf soll den strafrechtlichen Schutz vor Stalkern verbessern. Nachstellung soll nicht mehr nur dann strafbar sein, wenn die Tat das Leben des Opfers schwerwiegend beeinträchtigt und diese zum Beispiel zum Umzug zwingt. In Zukunft soll es für die Strafbarkeit bereits ausreichen, wenn eine Belästigung einer Person "geeignet ist, deren Lebensgestaltung schwerwiegend zu beeinträchtigen". Bei den geladenen Expertinnen und Experten herrschte Konsens darüber, dass der geltende Stalking-Paragraf 238 des Strafgesetzbuches oft keinen wirksamen Schutz bietet. Ob der Gesetzentwurf allerdings dessen Schwachstellen vollständig ausgleiche – darüber war man sich letztlich nicht einig.
Gül Pinar bezweifelte beispielsweise, dass sich ein besserer Schutz vor Stalking vor allem über das Strafrecht erreichen lässt. Stattdessen schlug sie vor, als erstes beim Gewaltschutzgesetz anzusetzen, da dieses den Opfern sehr schnell helfen könnte. Das Strafrecht greife indessen immer erst spät. Pinar regte zudem an, ins Gewaltschutzgesetz zusätzliche Kriterien aufzunehmen, um Stalking-Opfer zu schützen. Sandra Cegla von SOS-Stalking rückte auch enge Angehörige der Opfer in den Blickpunkt. Auch diese seien oft erheblich betroffen und ihr Schutz solle mit ins Gesetz aufgenommen werden.
Umwandlung von Erfolgs- zum Eignungsdelikt wurde begrüßt
Grundsätzlich begrüßten die Teilnehmer der Anhörung die Umwandlung des Tatbestands der Nachstellung von einem "Erfolgsdelikt" zu einem "Eignungsdelikt". Sandra Cegla war beispielsweise der Meinung, dass für die Strafwürdigkeit "die kriminelle Energie des Täters entscheidend" sein müsse und nicht die Reaktion des Opfers darauf. Thomas Janovsky berichtete von einem besonders schwerwiegenden Fall, in dem das Opfer zahlreichen Stalking-Taten ausgesetzt gewesen sei. Trotzdem hätte es dem Druck nicht nachgegeben und seine Lebensgestaltung nicht geändert; so sei die Tat letztlich als nicht strafbar gewertet worden. Als Eignungsdelikt könnten solche Taten zukünftig verurteilt werden.
Einwände kamen zu diesem Punkt lediglich von Birgit Cirullies. Sie zweifelte an, dass die Umwandlung in ein Eignungsdelikt die erhoffte Wirkung haben werde. Die Entscheidung eines Richters hänge trotzdem immer vom Einzelfall und davon ab, wie leicht sich das Opfer vom Täter beeindrucken lasse. Cirullies schlug daher vor, es beim Erfolgsdelikt zu belassen. Lediglich das Wort "Lebensgestaltung" solle durch "Lebensverhältnisse" ersetzt werden, um die Schwelle zur Strafbarkeit zu senken.
Streichung der Generalklausel stand ebenfalls zur Debatte
Leonie Steinl vom Deutschen Juristinnenbund rückte im Laufe der Anhörung von einer früheren Forderung ihrer Organisation ab, die sogenannte Generalklausel ersatzlos zu streichen. Diese fügt im geltenden Gesetz einer Reihe von typischen Verhaltensweisen, die zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen führen, einen weiteren Punkt hinzu; ebenfalls strafbar mache sich diesem zufolge, wer "eine andere vergleichbare Handlung vornimmt".
Steinl schlug vor, stattdessen weitere typische Handlungen
in den Katalog aufzunehmen. Roswitha Müller-Piepenkötter wies darauf hin, dass
Generalklauseln auch an anderer Stelle dem Strafgesetz nicht fremd
seien, und sagte: "So kreativ kann man gar nicht sein, dass man alle
Handlungen ins Gesetz schreibt."
Quelle: Aktuelle Mitteilung (hib) des Bundestags vom 10.11.2016