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Anhörung zur weiteren Digitalisierung der Justiz

Sachverständige sind unterschiedlicher Meinung

Im April beschloss die Bundesregierung den Gesetzentwurf „zur weiteren Digitalisierung der Justiz“ (BT-Drucks. 20/10943). Dieser Entwurf war nun Thema einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages am Mittwoch, 15.5.2024. Durch Rechtsanpassungen im Bereich des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Aktenführung soll die bereits fortgeschrittene Digitalisierung in der Justiz in allen Verfahrensordnungen weiter gefördert werden, wie es in dem Entwurf heißt.

Teilgenommen haben an der Öffentlichen Anhörung folgende Sachverständige:

  • Angelika Allgayer, Richterin am BGH
  • Wilfried Bernhardt, Deutscher EDV-Gerichtstag
  • Tim Hühnert, Referatsleiter Recht beim Deutschen Gewerkschaftsbund
  • Edith Kindermann, Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins
  • Robert Seegmüller, Richter am BVerwG, Vorsitzender des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen
  • Jacqueline Sittig, Deutscher Juristinnenbund
  • Gregor Thüsing, Rechtswissenschaftler an der Universität Bonn
  • Jana Zapf, Richterin am OLG Celle, Deutscher Richterbund
  • Franziska Benning, HateAid
  • Volker Römermann, Beirat des Legal Tech Verbands Deutschland

An der Anhörung nahmen auf Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Römermann und Sittig teil, Allgayer, Stegmüller und Thüsing auf Vorschlag der CDU/CSU, Benning, Hühnert und Zapf auf Vorschlag der SPD und Kindermann und Bernhard auf Vorschlag der FDP. Die zehn Sachverständigen würdigten die Bemühungen der Bundesregierung, den Justizbereich weiter zu modernisieren, vertraten jedoch zu einzelnen Aspekten unterschiedliche Meinungen.

 

Vom Misstrauen in die Digitalisierung geprägt

Laut Volker Römermann erfordere die konsequente Verwirklichung des Rechtsstaats einen konsequenteren und mutigeren Schritt als den jetzt gewagten. Der Entwurf sei bereits vom Ansatz her inkonsequent, soweit er teilweise vom Misstrauen in die Digitalisierung geprägt sei. Unter anderem seien die vorgeschlagenen Umsetzungsfristen für vertrauliche Aktenbestandteile deutlich zu lang. Der Rechtswissenschaftler Gregor Thüsing wies darauf hin, dass sich bei der Digitalisierung zurecht immer wieder die Frage nach dem Datenschutz stelle. Datenschutzrecht sei in seiner Grundidee ein Ermöglichungsrecht und kein Verhinderungsrecht. Datenschutz stehe der Digitalisierung nicht entgegen.

Jana Zapf merkte an, dass der Erfolg der Digitalisierung der Justiz vor allem von einer angemessenen Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften abhängen werde. Wilfried Bernhardt betonte, dass durch einzelne Änderungen der Prozessrechtsvorschriften allein es nicht gelingen werde, den Reformstau bei der Justizdigitalisierung aufzulösen. Es sei deshalb langfristig unumgänglich, die Prozessordnungen zu modernisieren, um eine bürgernahe, niedrigschwellig zugängliche und moderne Justiz zu fördern und für die Bewältigung umfangreicher und komplexer Verfahren sowie von Massenverfahren nutzbar zu machen.

 

Gemeinsamen virtuellen Arbeitsraum schaffen

Edith Kindermann meldete Zweifel an, ob es in den Ländern eine flächendeckende Umsetzung der E-Akte in dem geplanten Zeitrahmen geben kann. Sie glaube jedoch, dass man mit der Möglichkeit einer vorübergehend hybriden Aktenführung die Menschen in den Gerichten mehr mitnehmen könne. Allerdings bleibe man da auch nur bei der E-Akte stehen. Sie glaube, die Schaffung eines gemeinsamen virtuellen Arbeitsraums zwischen Gerichten, Anwälten und vielleicht auch Beteiligten müsse die große Zielsetzung sein.

Jacqueline Sittig vom Deutschen Juristinnenbund begrüßte die im Entwurf enthaltenen gleichstellungsorientierten und strafprozessualen Aspekte, die für eine zeitgemäße Justiz nicht nur notwendig, sondern für einen niedrigschwelligen und gleichberechtigten Zugang zur Strafverfolgung, gerade in Fällen digitaler Gewalt, unabdingbar seien. Allerdings seien weitere Maßnahmen in Bezug auf eine elektronische Anzeigeerstattung erforderlich.

 

Bedenken wegen digitaler Verhandlungsteilnahme und Aufweichung der Schriftform

Angelika Allgayer äußerte erhebliche Bedenken gegen die geplante Änderung der Strafprozessordnung, soweit regelhaft eine digitale Teilnahme an der Revisionshauptverhandlung ermöglicht werden soll. Als „Herzstück“ des Strafverfahrens sollte sie weiterhin regelhaft in Präsenz und nur ausnahmsweise digital stattfinden, so Allgayer.

Tim Hühnert lehnte in seiner Stellungnahme die geplanten Änderungen zum Zugang von empfangsbedürftigen Willenserklärungen im Hinblick auf Kündigungen im Arbeitsrecht ausdrücklich ab. Für Kündigungen von Arbeitsverhältnissen sei die Schriftform vorgeschrieben, die elektronische Form sei ausdrücklich ausgeschlossen. Mit dem Gesetzesentwurf solle diese strikte Form nun - zumindest im elektronischen Rechtsverkehr - aufgeweicht werden.

 

Quelle: Heute im Bundestag (hib) 329/2024 vom 15.5.2024

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