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Verfassungsrechtliche Anforderungen an vollständigen Sorgerechtsentzug

- Entscheidungen Leitsätze

Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 17.11.2023 – 1 BvR 1037/23

  1. Der strenge Maßstab des Art. 6 III GG für die Trennung eines Kindes von seinen Eltern findet auch Anwendung, wenn ein Sorgerechtsentzug eine bereits bestehende Fremdunterbringung aufrechterhält und die Eltern mit dieser einverstanden sind (vgl. BVerfG, FamRZ 2017, 1577 {FamRZ-digital | }).
  2. Der strenge Maßstab gilt wegen der dem Vormund eingeräumten Rechtsmacht auch, wenn ein Kind weiter bei einem Elternteil lebt und der bestellte Vormund nicht beabsichtigt, dieses dort herauszunehmen (vgl. BVerfG, FamRZ 2014, 1177 {FamRZ-digital | }).
  3. Für die Eignung eines Sorgerechtsentzugs ist durch das Familiengericht darzulegen, wie der Vormund die Schädigung des Kindeswohls abwenden und was er anders machen würde als die Eltern.
  4. Eine zwangsweise Therapie von Jugendlichen erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, hierzu kann jedoch die Einholung eines kinder- und jugendpsychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Gutachtens neben einem psychologischen Gutachten erforderlich sein.
  5. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung muss eine Gesamtbetrachtung dahingehend erfolgen, ob sich die Situation des Kindes auch unter Berücksichtigung der mit Sorgerechtsentscheidung verbundenen Folgen (vor allem die Trennung von Eltern und Kind) insgesamt verbessert (vgl. BVerfG, FamRZ 2018, 1084, m. Anm. Socha).
  6. Ein psychologisches Sachverständigengutachten vermittelt nur dann eine hinreichend tragfähige Tatsachengrundlage, wenn es von dem für Kindesschutzfälle zutreffenden rechtlichen Maßstab (Kindeswohlgefährdung) ausgeht.

(Leitsätze der Redaktion)

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