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Verfahrensfähigkeit im Betreuungsverfahren - Durchsetzung der Verfahrensrechte

- Entscheidungen Leitsätze

Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 6.7.2020 – 1 BvR 2843/17

1. Aus Art. 2 I GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) lässt sich ein Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz im materiellen Sinne für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten ableiten (Anschluss an BVerfGE 82, 126, 155; BVerfGE 93, 99, 107 = FamRZ 1995, 1559 {FamRZ-digital | FamRZ bei juris}; BVerfGE 107, 395, 401, 408 = FamRZ 2003, 995 {FamRZ-digital | FamRZ bei juris}). Die daraus folgende Rechtsschutzgarantie gewährleistet nicht nur, dass überhaupt ein Rechtsweg zu den Gerichten offensteht, sie garantiert vielmehr auch die Effektivität des Rechtsschutzes.

2. § 275 FamFG soll sicherstellen, dass der Betroffene in allen betreuungsrechtlichen Verfahren ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit als verfahrensfähig zu behandeln ist. Die von der Geschäftsfähigkeit unabhängige Verfahrensfähigkeit soll die Rechtsposition des Betroffenen im Betreuungsverfahren stärken. Die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen ist Ausdruck der Anerkennung seiner Menschenwürde und seines Persönlichkeitsrechts (Anschluss an BT-Drucks. 11/4528, S. 89, 170).

3. Zur Anwendung des § 275 FamFG, die sich dergestalt auswirkt, dass der Beschwerdeführer von der Durchsetzung seiner Verfahrensrechte, die ihm über die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde im Verfahren über die Anordnung oder das Fortbestehen einer Anordnung einer Betreuung gewährt werden, gerade abgeschnitten wird.

4. Je weniger der Betroffene in der Lage ist, seine Interessen selbst wahrzunehmen, je eindeutiger erkennbar ist, dass die geplanten Betreuungsmaßnahmen gegen seinen natürlichen Willen erfolgen und je schwerer und nachhaltiger der beabsichtigte Eingriff in die Rechte des Betroffenen ist, umso dringender ist die Bestellung des Verfahrenspflegers erforderlich (Anschluss an BGH, FamRZ 2014, 378 {FamRZ-digital | FamRZ bei juris} = NJW 2014, 787 Rz. 11).

(Leitsätze der Redaktion)


Anm. d. Red.: Die Entscheidung erscheint demnächst in der FamRZ.

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