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Trotz Corona: Rückführung des entführten Kindes

- Entscheidungen

High Court of Justice, Urteil v. 31.3.2020 – [2020] EWHC 834 (Fam)

Im Streitfall ging es darum, ob eine Rückführung des entführten Kindes in den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts möglich ist oder ob durch die COVID-19-Pandemie die Ausnahmeregelung nach Art. 13 Abs. 1 lit. b des Haager Kindesentführungsübereinkommen geltend gemacht werden kann. Nach dieser Klausel kann die Rückführung eines Kindes ausnahmsweise verweigert werden, wenn die Rückführung „mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt“.

 

Keine Ausnahme nach Artikel 13 Abs. 1 lit. b

Der Vater hatte beantragt, die Tochter, die mit der Mutter ohne seine Zustimmung von Spanien in das Vereinigte Königreich übergesiedelt war, nach Spanien zurückzubringen. Die Mutter wollte unter anderem aufgrund der Corona-Pandemie die Ausnahmeregelung nach Art. 13 Abs. 1 lit. b des Haager Übereinkommens geltend machen. Das Kind selbst äußerte den Wunsch, in den Ursprungsmitgliedstaat zurückzukehren. In diesem Fall entschied das englische Gericht, dass das Kind im Sinne von Artikel 3 des Übereinkommens widerrechtlich aus Spanien in das Vereinigte Königreich verbracht wurde. Außerdem greifen keine der Ausnahmetatbestände nach Artikel 13 Abs. 1 lit. b.

 

Risiko eines körperlichen Schadens durch Corona-Pandemie?

Die Mutter argumentierte, dass aufgrund der aktuellen Corona-Situation das Risiko eines physischen Schadens für das Kind entstehe. Dieses Risiko bestehe dabei auf zwei Arten:

  • Die Pandemie ist in Spanien weiter fortgeschritten als in Großbritannien. Daher wäre das Kind dort einem höheren Risiko ausgesetzt, sich mit dem Virus zu infizieren als im Vereinigten Königreich.
  • Das erhöhte Infektionsrisiko, das derzeit durch internationale Reisen entsteht.

Der High Court entschied, dass trotz der derzeitigen Pandemie keine Ausnahme nach Artikel 13 Abs. 1 lit. b festgestellt werden kann. Dies begründete das Gericht damit, dass das Kind nicht in die Corona-Risikogruppe falle. Außerdem sei das Ansteckungsrisiko in beiden Ländern gegeben, es gebe aber keine Beweise, dass eines der Länder mehr oder weniger sicher ist als das andere. Beide Länder haben ihren Bürgern erhebliche Beschränkungen auferlegt, um die Pandemie einzudämmen. Außerdem seien Flüge zwischen den beiden Ländern begrenzt zugelassen. Demnach sei zwar ein erhöhtes Infektionsrisiko durch die Flugreise gegeben, dennoch sei dieses nicht so hoch, Flugreisen prinzipiell zu verbieten. Das erhöhte Risiko durch die mit der Rückgabe verbundene Reise stelle daher keine schwerwiegende Gefahr eines körperlichen Schadens nach Art. 13 Abs. 1 lit. b dar.

Die Entscheidung ist hier abrufbar.

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