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Trennungsjahr: Grundsicherungsempfänger müssen Eigenheim nicht verkaufen

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 26. Juni 2017

Gute Nachricht für Grundsicherungsempfänger: Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass nach dem SGB II während des Trennungsjahres nicht auf den Verkauf des Hausgrundstücks verwiesen werden darf.

Sachverhalt

Zugrunde lag der Fall einer Klägerin aus Leer, die gemeinsam mit ihrem Ehemann ein 98 m2 großes Reihenhaus bewohnte. Ihr Mann bezog eine kleine Altersrente, sie selbst hatte einen Minijob als Reinigungskraft und erhielt aufstockende Grundsicherungsleistungen durch den Landkreis Leer. Nachdem sie dem Landkreis ihren beabsichtigten Auszug und die Trennung von ihrem Ehemann mitgeteilt hatte, übernahm dieser die Kosten einer Mietwohnung. Die Leistungen wurden jedoch nur als Darlehen gewährt, da vorrangig das Hausgrundstück als verwertbares Vermögen für den Lebensunterhalt genutzt werden müsse.

Auf der Seite der Klägerin wurde dagegen die Auffassung vertreten, dass eine Verwertung unzumutbar sei. Denn solange es ungewiss sei, ob die Ehe endgültig zerrüttet sei und die Trennung dauerhaft sei, müsse das Haus noch als Familienheim gelten. Inzwischen habe sie sich mit ihrem Ehemann auch wieder versöhnt und wohne im gemeinsamen Haus.

Verwertungspflicht untergrabe Sinn des Trennungsjahres

Das LSG hat hierzu erstmals obergerichtlich entschieden, dass während des Trennungsjahres eine Verwertungspflicht im Regelfall nicht besteht. Zur Begründung führt das Gericht an, dass ein Hausgrundstück nach dem Auszug zwar nicht mehr in den Schutzbereich der Selbstnutzung fällt, eine Verwertung stelle jedoch eine besondere Härte dar. Dies ergebe sich aus bürgerlich rechtlichen Wertungen. Das Trennungsjahr solle die Eheleute vor übereilten Scheidungsentschlüssen bewahren, die aus bloß vorübergehenden Stimmungslagen und Krisensituationen resultierten. Zudem sei eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres nur im Ausnahmefall möglich. Diese Wertung des Gesetzgebers würde konterkariert werden, wenn durch eine Verwertung die Erwartung gegenüber dem anderen Ehegatten entstünde, die Wohnung ebenfalls als Lebensmittelpunkt aufzugeben. Das LSG hat sich gegen eine Verwertungspflicht entschieden, damit der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht bereits vor Ablauf des Trennungsjahres die Grundlage entzogen werde. Dieser besondere Schutz erlischt jedoch mit Ablauf des Trennungsjahres.

LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 31.05.2017 - L 13 AS 105/16

Vorinstanz: SG Aurich

Quelle: Pressemitteilung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26.06.2017

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