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Teilsorgeentzug bei Verdacht auf Kindesmisshandlung

- Entscheidungen Leitsätze

Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 16.9.2022 – 1 BvR 1807/20

  1. Zum Teilsorgeentzug nach §§ 1666, 1666a BGB wegen - von den Eltern bestrittener - zweifacher schwerer Verletzung eines Säuglings innerhalb der ersten drei Lebensmonate im elterlichen Haushalt.
  2. Auch im Falle der Trennung des Kindes von den Eltern gebietet die strenge verfassungsrechtliche Prüfung keinen höheren Grad an Gewissheit als nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO.
  3. Bei fehlenden Angaben der Eltern zum Verletzungsgeschehen muss neben einem rechtsmedizinischen Gutachten kein familienpsychologisches Gutachten eingeholt werden, wenn kaum hinreichende Anknüpfungspunkte vorliegen, auf denen eine psychologische Empfehlung überhaupt aufgebaut werden könnte.
  4. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Familiengericht eine nachhaltige Kindeswohlgefährdung durch mögliche zukünftige Misshandlungen oder erhebliche körperliche Verletzungen des Kindes feststellt, obwohl es keine konkreteren Feststellungen zu einzelnen Verletzungshandlungen oder Versäumnissen der Eltern treffen konnte. Bei einem auf beanstandungsfrei gewonnener tatsächlicher Grundlage prognostizierten schweren gesundheitlichen Schaden für das Kind ist der Schluss aus den festgestellten Tatsachen darauf, dass bei der Betreuung durch die Eltern mit ziemlicher Sicherheit mit weiteren ähnlichen Verletzungen des Kindes zu rechnen ist, verfassungsrechtlich unbedenklich.

(Leitsätze der Redaktion)

Anm. d. Red.: Die Entscheidung wird veröffentlicht in FamRZ 2023, Heft 1, m. Anm. Sven Billhardt.

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