Urteil des EuGHMR im Fall Antkowiak/Polen (Beschwerde Nr. 27025/17)
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 22.5.2018 im Fall Antkowiak/Polen (Beschwerde Nr. 27025/17) entschieden, dass das Recht eines Kindes auf Rückführung zu seinen biologischen Eltern das Recht von Adoptionsbewerbern überwiegt. Die Rechtssache betraf einen Sorgerechtsstreit zwischen den Antragstellern, bei denen sich das Kind in Adoptionspflege befindet, und seinen biologischen Eltern. Die biologische Mutter hatte ihr Baby bereits während der Schwangerschaft zur Adoption freizugeben. Die Antragsteller wollten den Säugling adoptieren. Als das Kind zur Welt kam, änderte die biologische Mutter jedoch ihre Meinung. Seitdem dauert der Rechtsstreit zwischen den beiden Parteien an. Das Kind befindet sich in der Obhut der Antragssteller, seitdem es 2011 zur Welt kam.
Das polnische Gericht entschied, dass das Kind an die biologischen Eltern zurückgegeben werden soll. Die Antragsteller klagten vor dem EuGHMR unter Berufung auf Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) gegen diese Entscheidung, wobei sich das Kind immer noch bei den Antragstellern aufhält.
Polnisches Gericht handelte im besten Interesse des Kindes
In seinem Urteil vom 22.5.2018 hat der EuGHMR den Antrag für unzulässig erklärt. Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Der Gerichtshof ist der Meinung, dass die polnischen Gerichte im besten Interesse des Kindes handelten. Die Gerichte befanden insbesondere, dass es in Anbetracht des Alters des Kindes noch nicht zu spät war, dem Kind die Möglichkeit zu geben, von seinen biologischen Eltern aufgezogen zu werden. Sie waren der Auffassung, dass dies die einzige Möglichkeit sei, um die Situation langfristig zu regeln und um weitere emotionale Schwierigkeiten in der Zukunft zu vermeiden. Die Gerichte kamen zu dieser Entscheidung, nachdem sie
- alle Beteiligten angehört,
- Berichte von Pädagogen, einem Psychiater sowie Psychologen eingeholt
- Zeugen gehört
und sich mit deren divergierenden Auffassungen auseinandergesetzt hatten. Sie haben daher, so der EuGHMR, in einem sensiblen und komplexen Fall ein gerechtes Gleichgewicht zwischen widerstreitenden Interessen geschaffen. Dabei verkenne der EuGHMR nicht, dass die Entscheidung des heimischen Gerichts bei den Antragstellern großes Leid verursacht habe.
Die Dauer des Entscheidungsfindungsprozesses der polnischen Gerichte sei sicherlich nicht im besten Interesse des Kindes gewesen. Nichtsdestotrotz ist der EuGHMR der Auffassung, dass das Verfahren angemessen war und die durch Artikel 8 EMRK geschützten Rechte der Antragssteller nicht verletzt wurden. Daher hat der Gerichtshof den Antrag als unzulässig abgewiesen.
Die offizielle Pressemitteilung und die Entscheidung im Volltext sind auf der Website des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nur in Englisch abrufbar.
Quelle: Pressemitteilung des EuGHMR vom 14.6.2018