Sammelung von Rechtssprechungen in Bücher im Regal

Keine Verfassungsbeschwerde des JA gegen Kindesschutzentscheidung des FamG

- Entscheidungen Leitsätze

Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 15.12.2020 – 1 BvR 1395/19

1. Die Verfassungsbeschwerde eines Landkreises als Träger des örtlichen Jugendamtes gegen eine nach § 1666 BGB getroffene sorgerechtliche Entscheidung eines Familiengerichts ist unzulässig.

2. Eine Beschwerdebefugnis des Landkreises ergibt sich nicht aus dem Selbstverwaltungsrecht des Landkreises nach Art. 28 II GG, weil eine darauf gestützte Verfassungsbeschwerde sich nur gegen Gesetze, nicht aber gegen gerichtliche Entscheidungen richten kann.

3. Die Rechte und Interessen des Kindes durch eine Verfassungsbeschwerde können durch einen Ergänzungspfleger als Vertreter des Kindes sowie im Wege der Prozessstandschaft durch den im familiengerichtlichen Verfahren bestellten Verfahrensbeistand wahrgenommen werden.

4. Dagegen ist der Landkreis im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht berechtigt, die Rechte des betroffenen Kindes im Wege einer Prozessstandschaft geltend zu machen. Es steht ihm offen, bei dem zuständigen Familiengericht die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft für das Kind zur Durchführung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens anzuregen.

5. Der Jugendamtsträger ist nicht grundrechtsfähig zur Geltendmachung eigener Rechtsverletzungen aus Art. 6 II S. 2 GG, denn ihm fehlt die erforderliche Distanz zum Staat. Durch seine gesetzlichen Aufgaben ist das Jugendamt nicht auf eine eindeutige Interessenvertretung zugunsten des Kindes festgelegt, es unterstützt vielmehr die gesamte Familie.

6. Auch aus dem ihm durch Art. 6 II S. 2 GG zugewiesenen Wächteramt folgt kein eigenes grundrechtsähnliches Recht des Jugendamtsträgers.

(Leitsätze der Redaktion)

Anm. d. Red.: Zu den Vorinstanzen siehe OLG Karlsruhe, FamRZ 2018, 1830, m. Anm. Burghart; BGH {FamRZ-digital | FamRZ bei juris}, FamRZ 2019, 598, m. Anm. Hammer {FamRZ-digital | FamRZ bei juris}; OLG Karlsruhe, FamRZ 2019, 1429 {FamRZ-digital | FamRZ bei juris}. Die Entscheidung wird veröffentlicht in FamRZ 2021, Heft 7, m. Anm. Hornung.

Zurück