- Entscheidungen Leitsätze
Bundesgerichtshof, Beschluss v. 18.9.2024 – XII ZR 116/23
- Der Grundsatz der formellen Anknüpfung in § 119 I GVG greift im Verhältnis von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Familiensachen auf die funktionelle Zuständigkeit der Senate bei dem Oberlandesgericht dergestalt durch, dass selbst bei einer fehlerhaften Qualifikation des Verfahrensgegenstands durch die erste Instanz eine vom Landgericht entschiedene Sache nur vom Senat für allgemeine Zivilsachen und umgekehrt eine von der Familienabteilung des Amtsgerichts entschiedene Sache nur vom Familiensenat entschieden werden kann (Aufgabe des Senatsbeschlusses v. 14.7.1993 - XII ARZ 16/93 -, FamRZ 1994, 25 [m. Anm. Bergerfurth] {FamRZ-digital | FamRZ bei juris}).
- Der Grundsatz der formellen Anknüpfung setzt sich demgegenüber bei der Anwendung des Verfahrensrechts grundsätzlich nicht fort. Jedenfalls im Verhältnis zwischen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Familiensachen wird das Rechtsmittelgericht selbst durch eine fehlerhafte, aber nach § 17a V und VI GVG bindende Beurteilung der funktionellen Zuständigkeit durch das vorinstanzliche Gericht nicht daran gehindert, das Rechtsmittelverfahren nach den korrekten, d.h. für den familienrechtlichen oder bürgerlich-rechtlichen Verfahrensgegenstand tatsächlich einschlägigen Verfahrensvorschriften zu führen (im Anschluss an Senatsbeschluss v. 10.7.2024 - XII ZR 63/23 -, FamRZ 2024, 1706 {FamRZ-digital | FamRZ bei juris}, und BGHZ 215, 139 = FamRZ 2017, 1602 [m. Anm. Burger] {FamRZ-digital | FamRZ bei juris}).
- Etwas anderes gilt aber dann, wenn das erstinstanzliche Gericht seine funktionelle Zuständigkeit nicht irrtümlich selbst angenommen hat, sondern ihm diese durch eine rechtsfehlerhafte, aber nach § 17a II S. 3 und VI GVG bindende Verweisung aufgedrängt worden ist. In diesen Fällen hat das erstinstanzliche Empfangsgericht bei der Fortführung des Verfahrens die dem Rechtsschutzbedürfnis des Anspruchstellers und dem Verfahrensgegenstand am ehesten gerecht werdenden Verfahrensvorschriften seiner eigenen Gerichtsbarkeit anzuwenden; die durch die Verweisung erzeugte Bindung an die eigene Verfahrensordnung wirkt dann auch in den Rechtsmittelinstanzen fort.